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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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abgeliefert: »Das ist mir scheißegal.«
    So soll man es anpacken, dachte Gunnar Barbarotti. Das ist mir scheißegal! Danke, Birgit Cullberg. Ich werde dir die Schuld geben, wenn sie es mir vorwerfen werden.
    Er zog sich die Handschuhe an, holte ein Küchenmesser und schlitzte den Umschlag auf. Ich will ja sowieso den Job wechseln, konstatierte er zum hundertfünfzigsten Mal, seitdem er von Gotland und aus Gustabo zurück war. Werde Totengräber oder etwas in der Art in der Gegend von Helsingborg.
    Zog das übliche gefaltete Papier heraus und las.
    ICH WEISS NICHT, OB DU DIE MALMGRENS SCHON
GEFUNDEN HAST. JETZT FEHLT MIR NOCH EINER,
GUNNAR. DANKE FÜR DEINE MITARBEIT
    Er saß fünf Minuten regungslos da. Las es noch einmal. Zählte die Worte. Achtzehn Stück. Las noch einmal, versuchte zu verstehen, aber da war … da war etwas in seiner Wahrnehmung selbst, was zu klikken schien oder in seiner Fähigkeit, geschriebenes Schwedisch zu verstehen vielleicht? Was bedeutete die Mitteilung? Was war das für eine Information, die diese achtzehn Worte vermittelten?
    Eigentlich. Jetzt fehlt mir nur noch einer, Gunnar. Es stand ein Komma zwischen
    den Worten einer und Gunnar. Welchen Sinn gab diese Behauptung?
    Gab es noch ein Opfer, das Gunnar hieß?
    Oder war dieses Gunnar eine direkte Anrede an ihn selbst, Gunnar Barbarotti? Vom Mörder.
    Oder … und es war wahrscheinlich aufgrund dieser überraschenden Interpretationsmöglichkeit, dass seine Wahrnehmung und sein Sprachverständnis ins Wanken geraten waren … oder erledigt war …?
    Danke für deine Mitarbeit?
    Plötzlich wurde es Inspektor Barbarotti schwarz vor Augen, die Küche begann sich zu drehen, er war gezwungen, sich an der Tischkante festzuhalten, und dieses Gefühl, das sich danach langsam in ihm ausbreitete, erinnerte ihn an Eis, das sich in einer dunklen, kalten Novembernacht auf einen See legt.
    Nach einer gewissen Zeit, die er nicht richtig einschätzen konnte – vielleicht zehn Minuten, vielleicht mehr –, gelang es ihm, vom Tisch aufzustehen und sich zum Telefon zu begeben.
    22
    E ntschuldige, was hast du gesagt?«
    Er wiederholte das, was er gesagt hatte, ohne ein Wort zu verändern.
    »Noch einer?«
    »Mm.«
    »Und du hast ihn geöffnet?«
    »Mh.«
    »Bist du nicht ganz gescheit?«
    »…«
    »Ich habe gefragt, ob du nicht ganz gescheit bist?«
    Er räusperte sich und versuchte, irgendwelche sinnvollen Worte zu finden, aber sie wollten sich nicht einstellen.
    »Es kam so.«
    »Es kam so?«
    »Ja.«
    »Was zum Teufel faselst du da? Sag mal, mit wem rede ich eigentlich?«
    »Hm.«
    »Mein Gott, was ist mit dir los?«
    »Ich … ich habe eine Hirnblutung gehabt … du kannst Jonnerblad grüßen und es ihm ausrichten.«
    Sie schwieg eine Weile. Er richtete seinen Blick auf seine linke Hand, sie lag vor ihm auf dem dunkel gebeizten Küchentisch, und einen Moment lang hatte er die Vision, sie gehöre zu einem ganz anderen Menschen. Wie sollte man das wissen?
    »Gut, ich werde es ihm ausrichten. Zuerst hast du den Brief gekriegt, dann eine Hirnblutung. Richtig so?«
    »Mm.«
    »Gunnar, du … du meinst das doch nicht ernst?«
    »Nein.«
    »Und was steht also dieses Mal in dem Brief? Versuche dich zusammenzureißen. Bist du überhaupt nüchtern?«
    »Natürlich bin ich nüchtern.«
    »Gut. Endlich erkenne ich deine Stimme wieder. Weißt du, ich glaube, ich komme rüber und hole den Brief persönlich ab.«
    »Danke.«
    »Ich bin in einer Viertelstunde bei dir.«
    »Danke.«
    »Du kannst dir meine Handschuhe leihen. Du hast sicher keine eige
    nen mitgebracht, oder?«
    »Gunnar, was ist passiert?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich … ich habe eine Art psychischen Kollaps gehabt.«
    »Psychischen Kollaps? Wieso das?«
    »Keine Ahnung. Das bin ich nicht gewohnt. Es ist ein Gefühl, als ob …«
    »Ja?«
    »Als ob ich festgefroren wäre.«
    »Festgefroren? Wo?«
    »Hier am Küchentisch. Ich habe hier bestimmt eine Viertelstunde gesessen, bevor ich dich anrufen konnte. Ich konnte mich einfach nicht bewegen.«
    »Und jetzt? Geht es dir jetzt besser?«
    »Ja. Ich taue langsam auf.«
    »Du siehst auch ziemlich mitgenommen aus.«
    »Danke.«
    »Du solltest zum Arzt gehen. Das kann … das kann etwas Neurologisches sein.«
    »Glaube ich nicht. Lies lieber den Brief.«
    Kriminalinspektorin Eva Backman betrachtete ihn noch eine Weile kritisch, dann tat sie, wie ihr geheißen. Las den kurzen Text, runzelte die Stirn, warf ihm quer über den Tisch einen Blick zu und

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