Eine ganz andere Geschichte
las noch einmal.
»Gunnar?«, sagte sie. »Er schreibt nur Gunnar.«
»Mm.«
»Und dass er der Letzte sein soll?«
»Mm.«
»Aber vielleicht wendet er sich auch nur an dich. So kann es auch sein.«
Gunnar Barbarotti nickte. Inspektorin Backman saß eine Weile schweigend da, dann schien ihr eine Idee gekommen zu sein. Sie holte tief Luft und faltete die Hände vor sich auf der Tischplatte. Beugte sich ein wenig weiter zu ihm rüber.
»Will er einen töten, der Gunnar heißt? Oder will er einen töten, der wie auch immer heißt?«
»Ich weiß es nicht.«
»Oder …?«
Er zuckte zusammen. »Was?«
Sie betrachtete ihn kurz, fast scheu, dann wandte sie ihren Blick zum Brief und studierte ihn noch einmal ganz genau.
»Nein«, sagte sie. »Lass uns diese Möglichkeit ausschließen. Ich glaube …«
»Was glaubst du?«
»Ich glaube, er plant noch einen zu töten, und das ist jemand, der Gunnar heißt. Oder genauer gesagt, er hat es bereits getan.«
Er trommelte vorsichtig mit den Fingern der linken Hand auf dem Tisch, und sie sah ihn erneut mit diesem mütterlichen Blick an. Was ist das für eine Möglichkeit, von der sie redet?, fragte er sich. Was ist nur mit mir los? Ich habe das Gefühl, als läge ich in einem Aquarium.
»Du stimmst doch meiner Interpretation zu?«
»Ja, natürlich.«
Sie beugte sich noch weiter vor. Er konnte den Duft ihres frisch gewaschenen Haars wahrnehmen.
»Gunnar, hat dein … hat das, was du mir erzählt hast, was dir passiert ist, hat das irgendeinen Zusammenhang mit dem Brief? Es ist ja genau in dem Moment eingetreten, als du ihn gelesen hast, oder?«
Er nickte.
»Du siehst nicht richtig normal aus.«
»Das habe ich noch nie, das ist erblich.«
»Nein, so meine ich das nicht. Aber du bist wirklich leichenblass, gestern warst du noch sonnengebräunt.«
»Meinst du?«, sagte Gunnar Barbarotti.
»Hast du eine Plastiktüte?«
Er holte eine aus einer Küchenschublade, und sie ließ den Brief hineinfallen. Zog sich die Handschuhe aus und knotete sie zu.
»Wie geht es dir jetzt?«
Er zuckte mit den Schultern. »Etwas besser. Aber irgendwie so starr.«
»Kannst du meinem Zeigefinger mit deinem Blick folgen?«
Sie bewegte ihn von rechts nach links vor seinem Gesicht. »Nein, ohne den Kopf zu drehen.«
Er gehorchte ihr, ohne zu protestieren, sie gab keinen Kommentar zu dem Ergebnis des Testes ab. Was macht sie da?, dachte er. Glaubt sie das mit der Hirnblutung wirklich?
Was er selbst glaubte, lag im Dunkeln. Sie blieb sitzen und sah ihn über den Küchentisch hinweg an, dann schien sie einen Entschluss zu fassen und stand auf.
»Gunnar, ich werde Olltman anrufen. Du bleibst zu Hause, ich rufe dich in einer Stunde an, okay?«
Er zögerte mit seiner Antwort. Olltman?, dachte er. Ja, vielleicht ist das ja richtig. Warum nicht?
Er hatte Olltman lange nicht gesehen. Nicht mehr, seit Eva Backman und er Kristoffersson, einen Kollegen, vor vier oder fünf Jahren an einem frühen Herbstmorgen in ihre Praxis begleitet hatten – nachdem der Kollege zehn Stunden lang Auge in Auge mit einem Elchstutzen in einem Ferienhaus in der Nähe von Kvarntorpa gesessen hatte. Es hatte damit geendet, dass ein anderer Kollege, Nyman, dem Elchstutzen besitzer den halben Kopf weggeschossen hatte. Ein Teil davon war in Kristofferssons Schoß gelandet, wie sich Barbarotti noch erinnerte.
Olltman war gut. Alle wussten, dass sie gut war. Auch wenn man nur selten von ihr sprach.
Er nickte, wusste aber gleichzeitig, dass er nicht damit einverstanden gewesen wäre, wenn Olltman keine Frau gewesen wäre. Unter keinen Umständen, man konnte sich fragen, wieso.
23
I hre Praxis lag in der Badhusgatan, gegenüber den Tennisplätzen, und er war zehn Minuten zu früh da. Er nahm eine alte Nummer von National Geographic in die Hände, solange er warten musste. Sie handelte von Schwertwalen. Als Doktor Olltman nach einer Viertelstunde kam und ihn empfing, wusste er nicht mehr über Schwertwale, als er gewusst hatte, als er die Praxis betreten hatte.
»Herzlich willkommen, Gunnar«, sagte sie und führte ihn in ein Zimmer, das in Grün und Wüstensand gehalten war. »Ich glaube, wir sind uns früher schon mal begegnet.«
»Zumindest einmal«, sagte Barbarotti. »Aber das ist einige Jahre her.«
Sie nickte, sie setzten sich jeweils in einen Bruno-Mathsson-Sessel. Eine Schale mit Weintrauben und eine Uhr standen auf dem minimalen Tisch zwischen ihnen.
»Erzählen Sie mir, warum Sie hier sind.«
»Weil
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