Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
Vom Netzwerk:
spürte, wie ihm die Kekse Sodbrennen verursachten. Damit haben wir diese Sache auch erledigt.
    Auf dem Weg hinaus stießen sie auf Hagmund Jonsson. Er war ein Mann in den Siebzigern, ebenso lang und sehnig, wie seine Frau klein und rundlich war.
    »Sieh an, hat Marianne sich einen Kerl zugelegt«, sagte er. »Das wur de auch höchste Zeit. Dann heißt es jetzt wohl, in der Zeit noch nicht erfüllter Erwartungen zu leben, was?«
    Der letzte Satz, ausgesprochen in gediegenem Gotländisch, klang wie ein Bibelzitat, wie Gunnar Barbarotti fand. Die Zeit noch nicht erfüllter Erwartungen? Sie schüttelten sich die Hände zur Begrüßung.
    »Das ist, als käme man zurück in seine Kindheit, nicht wahr?«, fuhr Hagmund fort, ohne auf eine Antwort zu warten. »Die Welt und das Leben sind mit vagen Versprechungen erfüllt, mit Düften und Ahnungen, die wir noch nicht durchschaut haben. Wenn wir sie durchschauen, wird es hohl. Omne animal post coitum triste est. Dann heißt es, neue Erwartungen zu finden. Und deren Erfüllung hinauszuzögern.«
    »Wie wahr gesprochen«, sagte Marianne und zog Gunnar Barbarotti mit sich durch die Pforte hinaus.
    »Hagmund ist ein Philosoph«, erklärte sie, als sie auf den Weg gekommen waren. »Wenn man sich mit ihm in ein Gespräch verstrickt, kann es Stunden dauern, bis man wieder herausfindet. Was bedeutete das da auf Latein?«
    »Ich bin mir nicht sicher«, gab Gunnar Barbarotti zu. »Irgendetwas dahingehend, dass man sich melancholisch fühlt, nachdem man geliebt hat, glaube ich.«
    Marianne runzelte die Stirn. »Das betrifft wohl in erster Linie Männer«, sagte sie. »Aber sie sind glückliche Leute, Hagmund und Jolanda Jonsson. Sie haben sich einen Platz für die erste Charterreise in den Weltraum reserviert.«
    Gunnar Barbarotti nickte.
    »Um die Zeit der Erwartung zu verlängern?«
    »Wahrscheinlich. Er hat sich sein eigenes Teleskop in der Scheune gebaut. Es soll Spitzenklasse sein, aber niemand hat es je gesehen, seit die Zeitung vor ein paar Jahren hier war. Er hat niemanden reingelassen.«
    »Und woher weißt du, dass sie glücklich sind?«
    Sie seufzte. »Du hast recht«, nickte sie. »Das weiß ich natürlich nicht. Aber es ist wichtig, dass ich mir das einbilden kann.«
    »Da stimme ich dir zu«, sagte Gunnar Barbarotti. »Und was machen wir jetzt?«
    »Bist du es schon leid, im Paradies still zu sitzen?«
    »Wir können uns nicht häufiger als zwei, drei Mal am Tag lieben. Nicht in unserem Alter.«
    Sie lachte. »Nein, das stimmt. Und ich will nicht, dass du allzu melancholisch wirst. Was hältst du davon, einige Kilometer Fahrrad zu fahren?«
    Gunnar Barbarotti blinzelte zum klarblauen Himmel hinauf und schnupperte in die Luft. »Warum nicht?«, stimmte er zu. »Auf jeden Fall besser als eine Reise in den Weltraum.«

    3
    W arum bist du eigentlich zur Polizei gegangen? Das hast du mir nie
    erzählt.«
    »Das liegt daran, dass du nie danach gefragt hast.«
    »All right. Aber jetzt frage ich. Warum bist du Polizist geworden?«
    »Ich weiß es nicht so recht.«
    »Danke. Genau so hatte ich es mir gedacht.«
    »Warum sagst du das?«
    »Weil Männer eigentlich nie genau wissen, warum etwas in ihrem Leben passiert.«
    »Sag bloß. Wie viele Männer hast du schon studiert?«
    »Du bist Nummer zwei. Oder vielleicht zweieinhalb, denn diesen Physiklehrer habe ich nie so richtig zu fassen gekriegt. Aber du musst doch zugeben, dass ich Recht habe.«
    Sie lagen auf dem Rücken unter einer Eiche vor einer alten Kalksteinkirche. Es war vier Uhr nachmittags. In der Luft herrschten mindestens fünfundzwanzig Grad, und sie waren zwei Stunden lang geradelt. Kreuz und quer durch die grüne, pastorale Hochsommerlandschaft. Höfe mit Steinmauern, Kornblumen und Mohn. Niedrige, weiß gekalkte Häuser, überwuchert von Kletterrosen und wildem Wein. Schwarzweiße Kühe, Lerchen in der Luft, faule Sommergäste, die in Hängematten lagen und schnarchten, und kleine Kioske, die Safraneis und Kaffee an vorbeifahrende Radfahrer verkauften. Gunnar Barbarotti hatte keine Ahnung, wo sie sich in Bezug auf Gustabo befanden. Und nichts konnte ihn weniger stören.
    »Es war fast so wie jetzt«, sagte er.
    »Was?«
    »Als ich beschloss, Polizist zu werden.«
    »Wie meinst du das?«
    »Mir tat der Hintern weh. Obwohl ich nicht Fahrrad gefahren bin. Aber ich hatte fünf Jahre lang draufgesessen und gepaukt.«
    »Jura in Lund?«
    »Ja. Und musste einsehen, dass ich noch vierzig Jahre lang auf dem gleichen Hintern

Weitere Kostenlose Bücher