Eine ganz andere Geschichte
überhaupt war es schwer, sinnvolle Fragen zu stellen. Tatsächlich. Er hatte drei Tage nicht an den Ermittlungen teilgenommen, sicher gab es jede Menge neuer Umstände, von denen er nichts wusste.
Wo?, beispielsweise. Wo in der Bretagne waren diese Bilder gemacht worden? Wenn Bekannte der Malmgrens wussten, dass sie diese Urlaubsreise gemacht hatten – hatte Backman nicht gesagt, dass dem so war? –, ja, dann musste die Ermittlungsgruppe doch weitere Details herausgekriegt haben. Unmengen von Details. Wie sind sie gereist? Im eigenen Auto oder in einer Art Gruppenreise? Von wann bis wann wa ren sie fort? Gab es irgendeine Verbindung zwischen den Malmgrens und Gunnar Öhrnberg? Ja, besonders diese Frage musste natürlich so gründlich wie möglich geklärt werden.
Und nachdem der Zusammenhang zwischen den Morden nach allem zu urteilen geklärt war, hatte man doch hoffentlich mit erneuten Befragungen der Freunde und Bekannten der ersten beiden Opfer begonnen.
Und – hoffentlich – das eine oder andere Nützliche erfahren.
Nein, dachte Gunnar Barbarotti. Es hat keinen Sinn hier zu sitzen und zu spekulieren. Ich liege zu viele Schritte zurück. Besser, jetzt einen Strich zu ziehen und zuzusehen, morgen auf dem Weg nach Hallsberg ordentlich ins Bild gesetzt zu werden.
Er sammelte die Fotos und seine Notizen ein. Schob alles zusammen in die Aktentasche und schaute auf die Uhr. Fünf Minuten nach elf – höchste Zeit.
Er stellte seinen Handywecker auf halb sieben, überlegte einen Moment und änderte ihn dann auf Viertel vor sechs. Warum sich nicht eine frühe Schwimmrunde gönnen, wenn man ausnahmsweise schon mal einen See in nur zwanzig Metern Entfernung hatte?
Und das erst recht, eingedenk der Gästebettenbezüge im Paradies auf der Müllhalde. Er konnte nur schwer glauben, dass Axel Wallman seit dem letzten Mal etwas daran geändert hatte.
So würde es also sein, früh raus, spät ins Bett.
Und dieser Mörder, war es nicht langsam an der Zeit, dass man ihn sich schnappte?
V
Aufzeichnungen aus Mousterlin
8. – 9. Juli 2002
Ich schlief in dem Liegestuhl auf der Terrasse ein, wurde von Erik ge weckt, als er ein paar Stunden später zurückkam.
»Wie ist die Lage?«, wollte er wissen.
Ich begriff nicht so recht, auf welche Lage er anspielte. Ob er wissen wollte, wie es mir ging, oder ob er wissen wollte, ob ich plante, bald abzureisen. Oder ob er auf die Ereignisse der letzten Nacht anspielte. Ich nahm an, er meinte Letzteres, zog es aber vor, der ersten Variante gemäß zu antworten.
»Gut«, sagte ich, »ein bisschen müde, aber ansonsten in Ordnung.«
Er blieb stehen und blickte mich mit einem Gesichtsausdruck an, den ich noch nie zuvor an ihm gesehen hatte. Als würde er erst jetzt bemerken, dass ich eine Person von größerer Komplexität war, als er geahnt hatte. Dass es etwas an mir gab, was er nicht verstand. Aber er ist es schließlich auch nicht gewohnt, sich in die Motive und Umstände anderer Menschen hineinzuversetzen. Erik ist sich selbst genug. Wie er nun dastand und mich mit funkelnden Augen ansah, die Kiefer leicht mahlend, sah er aus, als wäre er kurz davor, die Kontrolle über etwas zu verlieren – etwas, über das er normalerweise gar nicht die Kontrolle hatte und sie auch nicht haben wollte, das ihm aber nun doch in die Hände gefallen war.
»Sie laden heute Abend zum Essen ein«, sagte er schließlich. »Drüben bei Thalamot in Beg-Meil. Dann können wir alles besprechen. Aber letzte Nacht hat alles geklappt?«
»Ja«, antwortete ich. »Es hat alles geklappt.«
Er setzte sich an den Tisch. Ich stand aus dem Liegestuhl auf und schaute auf die Uhr. »Ich werde duschen gehen«, sagte ich. »Wann sollen wir da sein?«
»Um acht«, sagte Erik. »Wir können hier ungefähr um halb losgehen.«
»Klingt gut«, sagte ich. »Und was soll da besprochen werden?«
Er schaute mich etwas verwundert an. »Das ist dir doch wohl klar?«, sagte er dann. »Wir können das alles doch nicht einfach so stehen lassen.«
»Ach so, darum geht es«, sagte ich.
Er saß eine Weile schweigend da, dann zündete er sich eine Zigarette an.
»Was für ein Mensch bist du eigentlich?«, fragte er.
»Ich bin wohl wie jeder andere, wer auch immer«, antwortete ich. »Ich verstehe nicht, was du meinst.«
Er zog an seiner Zigarette. »Na gut«, sagte er, »na, das weißt du selbst wohl am besten. Abgemacht, wir gehen dann um halb acht hier los?«
»Von mir aus gern«, sagte ich.
Le Thalamot war leer bis
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