Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
Vom Netzwerk:
auf eine Gruppe von Deutschen, die um einen Tisch saßen und Krebse und Muscheln aßen. Bisher hat die Touristensaison immer noch nicht richtig angefangen, obwohl wir uns schon ein Stück im Juli befinden; ich nehme an, dass es in ein paar Wochen anders aussehen wird. An den Stränden, auf den Wanderpfaden im Moorgebiet, in den Restaurants und Crêperien.
    Und auf den Campingplätzen. Aber dann werde ich schon weit von hier fort sein, wo genau, das weiß ich nicht – aber auf jeden Fall weiter im Süden, ich werde weiter in den Süden fahren. Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass ich am Mittelmeer sterben möchte – vielleicht im Nahen Osten, warum auch nicht in Kairo oder Alexandria. Diese Breitengrade haben etwas an sich, was eine Saite in mir zum Klingen bringt. Woher dieses Gefühl kommt oder was es ausdrückt, ver stehe ich selbst nicht, aber es ist auch nicht notwendig, alles zu verstehen. Das Wichtige ist der Weg und das Gefühl, nicht das Ziel und der Zweck.
    Das Quartett war bereits da und wartete auf uns an einem Tisch weit hinten im Lokal, neben einem offenen Fenster, das auf einen Garten zeigte und in sicherem Abstand zu den Deutschen. Ich registrierte, dass sie sich etwas zurechtgemacht hatten, alle vier – beide Damen trugen Kleider, die ich vorher noch nicht gesehen hatte, Anna ein hellgrünes, Katarina ein rotes, die Herren frisch gebügelte, kurzärmlige Baumwollhemden. Sie hatten sich einen Aperitif bestellt, von dem sie nippten, und als Erik und ich kamen, erhoben sich Gunnar und Henrik gleichzeitig.
    »Schön«, sagte Gunnar. »Setzt euch. Wollt ihr einen Drink?«
    Bei dem Gedanken, dass wir vor weniger als vierundzwanzig Stunden zusammengesessen und einander wegen eines toten Mädchens verflucht hatten, erschien mir das Ganze ziemlich formell, und mir war sofort klar, dass heute Abend eine andere Regie herrschen würde. Eine Regie, die während der Beratung am Tage gemeißelt und aufgeschrieben worden war, bestimmte jetzt den Ton. Ich spürte, wie ein inneres, ironisches Lächeln in mir zuckte.
    »Ja, gern«, sagte Erik. »Gin Tonic für mich.«
    Ich sagte, mir reiche ein Glas Weißwein, und wir setzten uns. Erik zwischen Anna und Henrik, ich zwischen die beiden Frauen. Auch das schien im Voraus geplant worden zu sein, auch wenn ich nicht begriff, worin der Sinn liegen sollte.
    Nachdem Erik und ich unsere Gläser bekommen hatten, prosteten wir uns zu. Ich konnte bei keinem der anderen ein Lächeln entdekken, eher war es ein Augenblick ernsthafter Zusammengehörigkeit und Gemeinsamkeit, der da vorbeistrich. Anschließend widmeten wir uns lange der Frage des Menüs, wie üblich übernahm Katarina das Gespräch mit dem Kellner, und während wir warteten, dass das Essen auf den Tisch kam, unterhielten wir uns über französische Weine, französischen Käse, welche Tage und Monate man vermeiden sollte, wenn man Schalentiere essen wollte; überhaupt, dachte ich, überhaupt war das alles eine Wiederholung – nur langweiliger, weniger elegant und hoffnungsvoll –, und zwar der Konversation, die wir bei unserem ersten Essen im alten Hafen von Bénodet geführt hatten. Vor zehn Tagen, wenn ich mich nicht verrechnete.
    Außerdem tranken wir deutlich weniger Wein, wir bestellten Fisch und Fleisch statt Schalentiere, und erst als wir das Dessert auf dem Tisch hatten, kam Gunnar endlich zur Sache.
    »Wir möchten dir danken«, sagte er und wandte sich mir zu. »Dir dafür danken, dass du einen äußerst unangenehmen Auftrag auf dich genommen und ihn ausgeführt hast.«
    Er machte eine Pause. Ich gab keinen Kommentar dazu ab.
    »Denn ich nehme doch an, dass du ihn aufs Beste ausgeführt hast?«
    Ich wartete einige Sekunden. Konnte spüren, wie die Blicke aller auf mir ruhten. »Du willst wissen, ob ich das Mädchen ordentlich vergraben habe?«, fragte ich dann.
    Gunnar und Henrik schauten sich unruhig um, und mir kam in den Sinn, wie dumm es doch war, sich in einem öffentlichen Lokal zu treffen, wenn sie Angst vor fremden Ohren hatten.
    »Keine Sorge«, sagte Erik. »Hier gibt es niemanden, der Schwedisch versteht.«
    »Wollt ihr wissen, wo?«, fragte ich.
    »Nein, nein«, versicherte Gunnar. »Das ist nicht nötig. Aber es wäre wichtig für uns zu wissen, ob auch alles nach Plan gelaufen ist.«
    Nach Plan?, dachte ich.
    »Dass es nichts gibt, was wir wissen müssten«, fügte Katarina hinzu.
    Ich überlegte, worauf sie eigentlich aus waren. Ob es sich nur um eine Art allgemeiner Versicherung

Weitere Kostenlose Bücher