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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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fragte er, als sie sich jeder mit dem Tagesgericht hingesetzt hatten: Meerrettichhecht mit zerlassener Butter und Salzkartoffeln.
    »Findest du nicht?«, fragte sie verwundert. »Dass das ziemlich traurig ist?«
    »Doch, ja, vielleicht«, sagte Barbarotti. »Zumindest, was das Mädchen und ihre Großmutter betrifft.«
    »Also, irgendwie tut mir auch der Täter selbst fast leid«, sagte Back-man. »Alles ist ja so …«
    Sie zögerte.
    »Ist wie?«
    »So schrecklich zufällig. Es hätte nicht passieren müssen. Er hat die Hand des Mädchens losgelassen, und jetzt haben deshalb sieben Menschen ihr Leben verloren.«
    Barbarotti überlegte. »Acht, wenn er sich selbst das Leben genommen hat.«
    »Glaubst du das?«, fragte Backman.
    »Nein«, antwortete Barbarotti. »Aus irgendeinem Grund glaube ich das nicht. Frag mich nicht, wieso.«
    »Okay«, sagte Backman. »Ich glaube auch nicht, dass er tot ist. Aber wer ist er?«
    »Gute Frage«, sagte Barbarotti.
    »Hat er einen Beruf? Wie hat er die fünf Jahre gelebt, seit es passiert ist … seit er in diesem Rasthauscafé gesessen hat? Und wo?«
    »Und was hat er vorher getan?«, fügte Barbarotti hinzu.
    »Das auch. Er wandert herum, er schreibt, und er redet über Doktor
    L. Ich habe das Bild von ihm, als sie im Restaurant sitzen, so lange angestarrt, das war vielleicht an dem ersten Tag, von dem er erzählt? Als sie sich kennen gelernt haben, wie hieß der Ort noch?«
    »Bénodet«, sagte Barbarotti. »Der alte Hafen von Bénodet.«
»Genau. Er sieht so … ja, so normal aus.«
    Barbarotti nickte. »Finde ich auch. Aber er schreibt ja auch, dass sein Inneres nicht außen zu sehen ist. Lachen und lächeln, lachen und lächeln, ich glaube, das ist aus Hamlet … er muss studiert haben, meinst du nicht?«
    »Doch, ja«, sagte Eva Backman und starrte eine Zeitlang ins Leere, als wäre sie gerade dabei, einen neuen Gedankenfaden zu knüpfen. Wahrscheinlich verlor sie ihn wieder, denn sie schüttelte den Kopf und legte ihr Besteck hin. »Doch, ich habe auch den Eindruck. Es stimmt, was Astor Nilsson gesagt hat, dass diese Aufzeichnungen in gewisser Weise literarisch sind. Aber woher kommt er überhaupt? Ist er wirklich schon in der Psychiatrie gewesen? Er steht an der Autobahn bei Lille und trampt, und dann …«
    »Dann bleibt er zwei Wochen an diesem Ort in der Bretagne«, ergänzte Barbarotti. »Und dann verschwindet er.«
    »In den Süden.«
    »In den Süden, ja.«
    Erneutes Schweigen. Barbarotti dachte, dass er besser seine Papiere mit den Fragen, die er während des zweiten Durchlesens des Mousterlin-Dokuments aufgeschrieben hatte, mitgenommen hätte. Um ein wenig Struktur zu bekommen, irgendwie hatte er das Gefühl, immer nur die gleichen Fragen und die gleichen verblüfften Feststellungen zu wiederholen.
    Aber das Papier lag daheim auf dem Schreibtisch in der Baldersgatan.
    »Seine Frau?«, fragte Backman. »Was hältst du von ihr? Er schreibt, dass sie vor ein paar Jahren gestorben ist. Aber sie und Doktor L sind die einzigen Menschen aus seiner Vergangenheit, die er erwähnt. Oder?«
    »Stimmt«, bestätigte Barbarotti. »Wir wissen im Großen und Ganzen bis heute eigentlich nichts über ihn, aber wenn wir ihn fassen … ja, du kannst dir vorstellen, wie man ihn dann in die Mangel nehmen wird. Wir werden den Namen seiner ersten Kindergärtnerin erfahren und wissen, welche Schuhgröße sein gehbehinderter Cousin in Bengtsfors hat. Und alles wird im Expressen zu lesen sein.«
    Eva Backman lachte. »Ja, wahrscheinlich. Das Foto eines Mörders ist …«
    »Ja?«
    »Das Prickelndste, was es für unsere Phantasie gibt, ganz einfach. So ist es seit Hunderten von Jahren, ja eigentlich seit Tausenden, und heute ist es nicht anders. Frauen werden sich in ihn verlieben, genau wie in Clark Oloffson und Hannibal Lecter … man kann sich nur fragen, wieso.«
    »Bist du nicht deshalb zur Polizei gegangen?«, fragte Barbarotti. »Um diese Typen kennenzulernen und deine dunklen Triebe auf natürlichem Wege zu befriedigen?«
    »Oh nein«, stellte Eva Backman nüchtern fest. »Da hast du dich geschnitten, Herr Wachmann. Ach übrigens, hast du nicht bald wieder einen Termin bei der Olltman?«
    »Ich glaube, sie hat mich gesund geschrieben«, sagte Barbarotti. »Aber ich werde nachfragen.«
    »Tu das«, sagte Eva Backman. »Aber sollte jetzt nicht langsam die zweite Halbzeit anfangen?«
    »Ja, da hast du wohl recht«, sagte Barbarotti.
    33
    D er Gerichtspsychiater hieß Klasson und war

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