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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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einen Monat in Australien, und da haben wir vorbeigeschaut. Sie hatten eine kleine Tochter, und alles wirkte ganz harmonisch. Boss war viel weicher geworden, nicht ganz so laid-back wie die Australier natürlich, aber immerhin. Da war schon ein großer Unterschied zu sehen.«
    »Aber Sie haben ihn nur das eine Mal gesehen?«
    »Ja, und auch nicht sehr lange. Wir haben nur eine Nacht bei ihnen geschlafen, deshalb weiß ich eigentlich nicht viel. Aber Gustaf, mein damaliger Freund, fand sie sympathisch, daran erinnere ich mich noch.«
    Barbarotti nickte. »Und Hoss? Wie hat er darauf reagiert, dass sein Bruder plötzlich verschwunden ist?«
    Ulrika Hearst trank einen Schluck Wasser, bevor sie antwortete. Fuhr sich schnell mit der Zungenspitze über die Lippen.
    »Das ist es ja«, sagte sie. »Man weiß es nicht genau. Hoss hat ja noch nie jemandem anvertraut, welche Gefühle er eigentlich hat. Meine Mutter wusste von nichts. Seine Eltern berichteten nur, dass Boss geheiratet habe und nach Sydney gezogen sei, und als ich Hoss im Juni 1992 getroffen habe – wir haben nur zusammen einen Kaffee in einem Café in Haga getrunken –, da sagte er, dass alles in Ordnung sei. Aber zum Herbst hat er sein Medizinstudium abgebrochen und stattdessen angefangen, Philosophie zu studieren. Er hat nie jemandem erklärt, warum. Ich hatte ein paar Jahre lang überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihm, ich selbst habe zu der Zeit in England gelebt, aber als ich nach Schweden zurückgekommen bin, das war 1997, da hatte er geheiratet und war dabei, seine Doktorarbeit zu schreiben. Ich glaube, er machte so eine Art Blitzkarriere als Logiker. Er promovierte 1999 und bekam im selben Jahr eine Stelle an der Uni.«
    »Haben Sie seine Frau getroffen?«
    »Ja. Ein paar Mal. Das erste Mal kurz nach der Jahrtausendwende. Sie war schwanger, und sie hatten gerade ein Haus in Mölndal gekauft. Sie arbeitete in der Klinik, ich nehme an, dass sie sich schon kennen gelernt haben, als er noch Medizin studierte. Ein paar Monate später hatte sie eine Fehlgeburt … ja, sie haben nie ein Kind bekommen.«
    »Was für einen Eindruck hatten Sie von ihrer Beziehung zueinander?«, fragte Eva Backman.
    Sie überlegte, aber nur kurz.
    »Dass er sehr dominant war«, sagte sie. »Mir schien, dass sie sehr schüchtern wirkte, später habe ich erfahren, dass sie in einem streng religiösen Haus aufgewachsen war und dass Hoss sie mehr oder weniger mit den Wurzeln dort herausgezerrt hat.«
    »Mit den Wurzeln herausgezerrt?«, wiederholte Backman. »Ja, ich glaube, ich verstehe.«
    »Ich habe sie dann noch ein paar Jahre später getroffen«, berichtete Ulrika Hearst weiter. »Nur sie allein, wir sind in Stockholm zufällig aufeinandergestoßen, und da habe ich sie fast nicht wiedererkannt. Sie war … ja irgendwie gewachsen. War eine selbstständige Frau geworden, könnte man wohl sagen, wenn das nicht so ein abgenutzter Begriff wäre.«
    »Es hat schon seinen Grund, dass gewisse Begriffe abgenutzt sind«, warf Eva Backman ein.
    »Ja, das stimmt wohl.«
    »Wann?«, fragte Barbarotti. »Wann haben Sie sie in Stockholm getroffen?«
    »Ich habe darüber nachgedacht«, sagte Ulrika Hearst, »und bin zu dem Schluss gekommen, dass es im Januar oder Februar 2006 gewesen sein muss.«
    »Also anderthalb Jahre später?«
    »Ja.«
    »Und Hoss? Haben Sie ihn in den letzten Jahren einmal gesehen?«
    »Nur einmal«, erklärte Ulrika Hearst und zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Auf der Buchmesse in Göteborg letztes Jahr. Aber getroffen habe ich ihn eigentlich nicht … er saß in einem Seminar mit auf dem Podium. Ich erinnere mich nicht mehr, um welches Thema es ging, aber ich habe seinen Namen gesehen und bin hingegangen, weil ich neugierig war. Er machte einen ziemlich mittelmäßigen Eindruck. Wir haben nicht miteinander gesprochen, ich habe bemerkt, dass er mich im Publikum entdeckt hatte, aber als er fertig war, ist er einfach nach hinten verschwunden.«
    »Wissen Sie mehr über diese Ehe?«, fragte Eva Backman.
    »Eigentlich nicht«, sagte Ulrika Hearst. »Aber ich erinnere mich, dass meine Mutter vor ein paar Jahren behauptet hat, sie wollte nicht in den Kleidern der Frau stecken.«
    »Nicht in den Kleidern von Hoss' Frau?«
    »Ja.«
    »Hat sie das begründet?«
    Ulrika Hearst verzog den Mund. »Meine Mutter hat gern die Beziehungen anderer Leute analysiert«, sagte sie. »Sie hat sich vor fünfzehn Jahren von meinem Vater scheiden lassen, seitdem ist das eines der

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