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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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aber nie getraut, meiner Mutter den Grund dafür zu erzählen.«
    »Was für kleine Arschlöcher«, sagte Backman.
    »Und sie sind eineiige Zwillinge?«, fragte Barbarotti.
    »Oh ja«, bestätigte Ulrika Hearst. »Man kann sie nicht voneinander unterscheiden, es sei denn, man weiß, dass Hoss ein kleines Muttermal unter dem linken Ohr hat. Er ist auch einen Zentimeter größer und zwanzig Minuten älter, aber ansonsten sind sie identisch.«
    »Und keine anderen Geschwister?«, fragte Backman.
    »Nein, es sind nur die zwei. Und sie klebten immer aneinander. Ich weiß, dass Maud und Yngve, ihre Eltern, versucht haben, dem entgegenzuwirken. Sie haben versucht, sie durch verschiedene Dinge zu trennen, aber es war ganz einfach nicht möglich. Sie hatten beispielsweise nie ein Zimmer für sich allein, obwohl sie in einem Sieben-Zimmer-Haus wohnten. Und in der Schule hat man sie in verschiedene Klassen gesteckt, aber da haben sie sich geweigert, zu arbeiten. Sie hatten auch nie andere Freunde, nur einander.«
    »Und was ist dann passiert?«, fragte Barbarotti. »Als sie älter wurden?«
    Ulrika Hearst schüttelte langsam den Kopf, und ihr Blick veränderte sich. Sie strich erneut ihr Haar zurück und trank einen kleinen Schluck Wasser.
    »Ich bin mir nicht sicher«, sagte sie. »Aber irgendetwas muss schiefgegangen sein. Sie haben ja beide 1989 das Gymnasium beendet. Dieselbe Klasse, das gleiche Zeugnis, ich war bei ihrer Abitursfeier. Es war etwas merkwürdig, es war irgendwie nur Familie dort. Zehn, zwölf Personen. Ich hatte zwei Wochen später meine eigene Fete in Stock holm, und wir waren mindestens fünfzig. Ja, das war wohl das erste Mal, dass ich begriff, dass mit den beiden etwas ernsthaft nicht stimmte. Beide hatten ein Superzeugnis, beide hatten sich fürs Medizinstudium in Göteborg beworben, und beide wurden natürlich sofort genommen. Und dann kauften ihre Eltern ihnen eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Aschebergsgatan, sie waren offenbar froh, sie loszuwerden, die Jungs hatten auch nie besonders viel für ihre Eltern übrig gehabt. Ja, und dann sind sie dort eingezogen und haben Medizin studiert.«
    »Und weiter«, bat Barbarotti. »Das war also im Herbst 1989, ja?«
    »Ja«, bestätigte Ulrika Hearst. »Die ersten drei, vier Semester lief alles wie am Schnürchen, glaube ich. Sie schafften alle Prüfungen und Tests und wie das noch heißt. Ich habe sie ein paar Mal besucht, wenn ich aus irgendeinem Grund in Göteborg zu tun hatte. Sie waren wirklich richtig verbissene Mediziner, mit Skelett und anatomischen Tafeln überall. Natürlich behandelten sie mich jetzt mit ein bisschen mehr Respekt, schließlich waren wir inzwischen erwachsen, sie lockten mich nicht mehr in einen Brunnen oder so, aber ich war dennoch immer froh, wenn ich ihre Wohnung wieder verlassen konnte. Ich erinnere mich, dass ich …«
    »Ja?«, fragte Barbarotti.
    Sie lachte kurz auf. »Ja, ich erinnere mich, dass ich hinterher immer auf dem Bürgersteig vor dem Haus erst einmal stehen geblieben bin und tief Luft geholt habe. Die normale Welt eingeatmet habe, es war … es war ein rein physisches Erlebnis. Ich selbst habe Betriebswirtschaft in Uppsala studiert, da gab es eine Menge Diskussionen darüber, wer wohl langweiliger ist, der Wirtschaftswissenschaftler oder der Mediziner, und ich weiß, dass ich dachte, wenn jemand meine Cousins in Göteborg kennen würde, wäre es kein Problem, diese Frage zu beantworten.«
    Eva Backman lächelte kurz. »Aber dann ist etwas passiert, nicht wahr?«
    »Ja.« Ulrika Hearst setzte sich auf und wurde ernst. »Boss hat eine Frau kennen gelernt. Das war im Mai '91. Ich war bei meiner Mutter in Nacka, habe sie zu ihrem Geburtstag besucht, und da erzählte sie mir die Neuigkeit. Das wäre natürlich in jeder anderen Familie vollkommen normal gewesen, aber bei uns wurde das fast als Sensation angesehen. Und es war nicht weniger sensationell, als im Laufe des Sommers die Nachricht kam, dass die beiden heiraten und nach Australien ziehen wollten. Sie war Austauschstudentin und stammte aus Brisbane.«
    »Und das haben sie dann gemacht?«, fragte Backman.
    »Ja, das haben sie gemacht. Boss und Bessie, sie hieß tatsächlich so, sie haben geheiratet und sind irgendwann um Weihnachten 1991 nach Australien gezogen, und seitdem leben sie dort, in einem Vorort von Sydney.«
    »Haben Sie sie dort einmal besucht?«
    »Ja. Ich war vor … ja, das muss jetzt schon zwölf Jahre her sein, da war ich mit meinem damaligen Freund

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