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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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aufschnitt.
    Die Handschrift war dieselbe und die Botschaft genauso eindeutig wie beim letzten Mal.

PLANE, MIT ANNA ERIKSSON WEITERZUMACHEN.
AUCH DIESMAL WIRST DU MICH WOHL NICHT
DARAN HINDERN KÖNNEN.
    Gunnar Barbarotti zögerte, ging mit sich selbst eine halbe Minute lang zu Rate. Überlegte, ob er nicht vielleicht in einem Liegestuhl in Hogrän lag und träumte, kam aber dann zu dem Schluss, dass dem nicht so war.
    Worauf er zum Telefon griff und Kriminalinspektorin Backman weckte.

    II
    Aufzeichnungen aus Mousterlin
    30. Juni 2002
    D as Mädchen tauchte aus dem Nichts auf. Plötzlich stand sie einfach da und betrachtete uns mit einem schiefen, leicht frechen Lächeln in ihrem kantigen Gesicht.
    Wir befanden uns am Strand. Alle sechs, es war ein Vormittag, ich weiß nicht, ob am Tag zuvor eine Verabredung getroffen worden war, dass wir uns treffen, aber Erik und ich waren gerade über die Uferböschung gekommen und hatten uns in unseren Liegestühlen niedergelassen, als schon die Malmgrens aus Richtung Bénodet herangewandert kamen und ihre bunten Badelaken ausbreiteten. Anna und Gunnar schlossen sich nur zehn, fünfzehn Minuten später an, und ja, wenn ich genauer darüber nachdenke, muss es irgendwie verabredet gewesen sein. Bald hatten also alle ihren Platz gefunden und fingen an, sich auf diese phlegmatische Art und Weise zu unterhalten, wie Leute es am Badestrand tun: ein neunmalkluger Kommentar nach dem anderen und lange Pausen des Nachdenkens. Vermeintliche Tiefsinnigkeiten und sinnloses Geplapper, ich schob mir meinen Strohhut über die Augen und tat so, als schliefe ich, was ich in gewisser Weise auch nötig hatte, da ich nicht vor halb drei ins Bett gekommen war. Erik schien früh auf gewesen zu sein, unabhängig davon, wie der gestrige Abend verlaufen war, morgens hatte er mich schon vor neun Uhr mit Kaffee und Rührei und Schinken geweckt, man kann vieles von ihm behaupten, aber auf jeden Fall ist er ein aufmerksamer Gastgeber.
    Möglicherweise gelang es mir sogar, für einen kurzen Augenblick dort im Liegestuhl einzuschlafen, es war natürlich heiß, aber eine angenehme Brise zog vom Meer herauf, die entfernten Schreie der Möwen vermischten sich mit den Wortfetzen der Unterhaltung, und nach einer Weile konnte ich das eine nicht mehr vom anderen unterscheiden. Vielleicht war ich auch wirklich eingeschlafen, wie gesagt – in dem Fall war es die Stimme des Mädchens, die mich weckte, sie hatte einen gleichzeitig kindlichen und leicht strengen Ton an sich.
    Wie eine alte Seele in einem jungen Körper, ich weiß, dass ich genau das dachte.
    »Bonjour. Ça va?«
    Die anderen verstummten. Katarina Malmgren lachte laut auf. »Cava! Bonjour, petite.«
    Ich schob die Hutkrempe hoch und betrachtete sie. Ein dunkelhaariges Mädchen von zwölf oder dreizehn Jahren. Roter, einteiliger Badeanzug, blauer Strohhut mit Stoffblumen. Ein Pullover um den Bauch geknotet und ein kleiner Rucksack auf dem Rücken.
    Funkelnde Augen, etwas leicht Spöttisches im Blick.
    »Vous n'êtes pas français, hein?«
    Nein, Katarina Malmgren erklärte, dass wir keine Franzosen waren. Wir waren Schweden. Machten Urlaub in der schönen Bretagne. Das Mädchen zeigte wieder ihr schiefes Lächeln, sie hatte etwas unmittelbar Einnehmendes an sich, eine Art schamloser Natürlichkeit, die anstrengend hätte sein können, wäre sie nur ein paar Jahre älter gewesen.
    Aber sie war immer noch ein Kind, auch wenn unter dem dünnen Stoff ihres Badeanzugs knospende Brüste deutlich zu erkennen waren. Katarina Malmgren fragte sie nach ihrem Namen.
    »Troaë«, sagte das Mädchen. »Je m'appelle Troaë.«
    Es dauerte eine Weile, bis sie diesen eigenartigen Namen buchstabiert hatten. Und korrekt ausgesprochen – ungefähr wie das französische Wort für Zug, train, aber mit einem kleinen o vor den nasalen Ä-Laut geschoben, wie wir erfuhren. Wir versuchten es alle auszusprechen, das Mädchen half dabei, korrigierte uns und ermunterte uns. Besonders Gunnar und Anna machte diese Übung ungemein Spaß.
    Troaë erklärte außerdem, dass es kein gewöhnlicher französischer Name war. Woher er stammte, wusste sie auch nicht, ihr Papa hatte ihn ihr gegeben, er war Künstler und lebte in Paris.
    Nach diesen einleitenden Pirouetten stellte sie ihren kleinen Rucksack in den Sand und fragte, ob sie uns malen dürfe. Ich bemerkte, dass ein Paar braune Holzstäbe aus dem Rucksack herausragten, und begriff, dass es sich um eine Staffelei handeln musste.
    »Uns

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