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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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malen?«, fragte Katarina Malmgren und lachte gekünstelt. »Wieso das?«
    Das Mädchen erklärte, dass sie Malerin werden wollte, genau wie ihr Papa. Da sie aber das ganze Jahr über in einem langweiligen Pariser Vorort zur Schule ging, war sie gezwungen, die Sommerferien zu nutzen, um zu üben. Sie meinte, wir seien eine interessante Sammlung von Individuen, und sie war genau mit dieser Absicht an den Strand gekommen. Um eine passende Gruppe von Menschen zu finden und sie zu malen.
    Sie stellte die Staffelei auf. Troaë berichtete – wenn ich es recht verstand –, dass sie den Sommer über bei ihrer Großmutter lebte, die ein Haus außerhalb von Fouesnant besaß. Nur wenige Kilometer vom Strand entfernt; die Eltern waren in Paris geblieben, sowohl Mama als auch Papa, sie waren seit langem geschieden, sie wohnte bei dem Vater, zumindest meistens.
    Während sie erzählte, machte sie ihre Malutensilien bereit, stellte eine Leinwand auf die Staffelei, trat ungefähr zehn Meter von uns zurück, holte einen Aquarellkasten heraus, befeuchtete verschiedene Pinsel mit der Zungenspitze, alles sah wirklich äußerst professionell aus. Gunnar fragte auf holprigem Französisch, ob wir uns jetzt die ganze Zeit nicht bewegen dürften, das Mädchen erwiderte, dass das ganz und gar nicht nötig sei, aber es wäre gut, wenn wir nicht zuviel hin und her liefen. Ich hoffte langsam, dass jemand Verstand genug hätte, dieses Theater zu stoppen, aber außer mir schien niemand in der Gruppe etwas dagegen zu haben, am Strand gemalt zu werden. Möglicherweise Henrik, aber anscheinend wurde er von der Fröhlichkeit der anderen ausgebremst. Ich ließ mich tiefer in meinen Liegestuhl sinken und versuchte meinen dösenden Zustand wiederzuerlangen.
    Eine ganze Weile blieb es still, sicher fast eine halbe Stunde, während Troaë mit ernster Miene hinter ihrer Staffelei stand und ihre Gruppe urlaubender Schweden am Strand malte. Aus irgendeinem Grund schien das vorherige, leicht dahinplätschernde Gespräch durch die Anwesenheit des Mädchens gehemmt zu werden, selbst die Frauen wurden wortkarg. Ich kann mir denken, dass es mir gelungen ist, ein paar Minuten einzuschlafen – beim nächsten Mal war es Anna, die das Schweigen brach.
    »Lunch«, sagte sie. »Zuerst ein kurzes Bad und dann etwas zu essen. Was haltet ihr davon?«
    »Müssen wir nicht erst die Künstlerin um Erlaubnis bitten?«, fragte Erik, und ich konnte seiner Stimme nicht anhören, ob er selbst die Situation inzwischen leid war oder ob er immer noch davon amüsiert war.
    Katarina rief das Mädchen zu sich. Fragte sie, wie es bei ihr lief, und teilte ihr mit, dass wir aufbrechen wollten, um zu baden und etwas zu essen.
    Die Antwort des Mädchens verstand ich nicht; Katarina erklärte, dass sie nur noch um zwei Minuten bat, dann sei sie auch bereit, eine Pause einzulegen.
    »Freches Ding«, brummte Henrik und wurde von seiner Ehefrau wie auch von Gunnar sofort zurechtgewiesen.
    »Ich finde sie charmant«, erklärte Letzterer. »Ein richtiger, kleiner, charmanter Zwerg. Könnt ihr sehen, wie hübsch sie in fünf Jahren sein wird?«
    »Du perverses Schwein«, sagte Anna, warf den Kopf nach hinten und lachte. Laut und künstlich. Ich beschloss insgeheim, nach dem Mittagessen ins Haus zurückzugehen, nicht zuletzt, um etwas Schatten aufzusuchen, Ruhe zu finden und meine Zukunft zu planen.
    Wir blieben in unseren Positionen, bis Troaë sich tief verneigte und uns für unsere Ausdauer dankte.
    »Darf man sehen?«, fragte Katarina.
    Troaë schüttelte den Kopf. »Nicht, bevor es fertig ist. Heute Nachmittag oder vielleicht morgen.«
    »Sie meint ja wohl nicht, dass wir ihr mehrere Tage Modell sitzen sollen?«, fragte Gunnar.
    Katarina übersetzte dem Mädchen die Frage, und wir erfuhren, dass nur noch ein paar Minuten nach dem Mittag nötig seien.
    Sie leistete uns im Wasser keine Gesellschaft, ging aber mit uns ins Restaurant. Ich weiß nicht, ob jemand sie eingeladen hatte, und wenn, war es wahrscheinlich Katarina oder Gunnar gewesen; auf jeden Fall ergriff Troaë sofort Eriks Arm und ging bei ihm untergehakt bis zum Le Grand Large, einem kleinen Restaurant ein paar hundert Meter östlich der Mousterlinspitze. Sie drückte sich an ihn, machte ab und zu kleine, hüpfende Tanzschritte, zeigte klassische Ballettpositionen und plapperte die ganze Zeit. Erik schien begeistert über die Aufmerksamkeit zu sein, tat so, als verstünde er alles, was sie sagte, und alberte mit ihr herum; bei

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