Eine ganz andere Geschichte
ich jünger war, habe ich geglaubt, dass wir uns besser verstehen würden, wenn wir erst einmal erwachsen wären, ja, ich glaube schon, dass ich diese Hoffnung hatte. Aber dem war nicht so. Erik wurde nie erwachsen.«
Sie machte eine kurze Pause, als erwartete sie irgendeine Art von Kommentar zu der letzten Behauptung, Barbarotti gab ihr aber nur ein Zeichen, weiterzusprechen.
»Nein, er ist nie erwachsen geworden«, wiederholte sie. »Nie reif, er gehörte zu der Sorte von Männern, die ihr Weltbild aus der Teenager-zeit ihr ganzes Leben lang behalten. Alles ist eine Art Spiel, Menschen sind Spielsachen, die man wegwerfen kann, wenn man ihrer überdrüssig geworden ist. Besonders Frauen. Sie sind sozusagen im Umkleideraum nach dem Fußballspiel der Jungsmannschaft stecken geblieben, diese Männer … das klingt hart, und ich sage es nicht gern, aber warum sollte ich heucheln?«
Ja, warum?, dachte Gunnar Barbarotti und zuckte mit den Schultern in einer halbherzigen Geste, die er selbst nicht recht deuten konnte.
»Leider hat er immer genug Geld gehabt, so dass er auf seine Weise zurechtgekommen ist«, fuhr sie fort, bevor er eine neue Frage einschieben konnte. »Unsere Eltern haben ihm immer den Rücken frei gehalten.«
»Aber sein Unternehmen lief doch ziemlich gut?«, fragte Barbarotti.
»Inzwischen ja«, antwortete Christina Lind Bergman und verzog das Gesicht. »Aber ich weiß nicht, wie viele Millionen Mama und Papa reingesteckt haben.«
»Ich verstehe«, sagte Barbarotti. »Sie meinen damit also, dass Ihr Bruder eine Art verwöhnter Yuppie war?«
»Ungefähr, ja«, sagte Christina Lind Bergman. »Aber er hatte auch keine Gefühle, das sollte man nicht vergessen. Nein, ich habe schon vor vielen Jahren die Hoffnung aufgegeben, was ihn betrifft.«
»Wie viel Kontakt hatten Sie zu ihm?«
»Überhaupt keinen. Wir haben uns nicht einmal mehr zu Weihnachten gesehen. Meine Eltern kommen nicht mehr nach Hause, sie haben ein Haus in Spanien. Und ich kenne keinen seiner Freunde, ich kann Ihnen ganz einfach in keiner Weise helfen.«
»Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
Sie überlegte. »Letzten Sommer. Aber nur durch Zufall. In einem Café in Lysekil, ich wohne dort … und arbeite im Krankenhaus. Er kam mit ein paar Kumpels herangerauscht. Wir haben uns nur kurz begrüßt.«
»Aber er hat Ihnen seine Freunde vorgestellt?«
»Nur mit Vornamen. Zwei Typen vom gleichen Schlag wie Erik, soweit ich es beurteilen konnte. Sonnengebräunt, großspurig und etwas angetrunken. Ich weiß nicht mehr, wie sie hießen. Micke und Patrik oder so etwas in der Art wahrscheinlich.«
Gunnar Barbarotti nickte. Nette Familie, dachte er. Starke Familienbande und so. »Was für ein Verhältnis haben Sie zu Ihren Eltern?«, fragte er.
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ich verstehe nicht, was mein Verhältnis zu meinen Eltern mit dem Mord an meinem Bruder zu tun hat.«
»Beantworten Sie bitte trotzdem die Frage«, bat Barbarotti.
»Kein besonders enges«, gab Christina Lind Bergman zu. »Nein, wenn ich ehrlich sein soll, dann betrachte ich mich selbst als das weiße Schaf in der Familie.«
»Ach so?«, sagte Gunnar Barbarotti. »Ja, ich muss Sie aber trotzdem fragen, ob Sie irgendeine Idee haben, wer Ihren Bruder getötet haben könnte.«
»Nicht die geringste.«
»Und warum?«
»Sie meinen, warum es jemand getan haben könnte?«
»Ja.«
»Genauso wenig. Keine Ahnung. Ich habe aber kein Problem, mir vorzustellen, dass er sich irgendjemandem gegenüber wie ein Schwein verhalten hat. Und dass dieser Jemand genug davon hatte und ihn deshalb abgestochen hat. Aber das sind ja nur Spekulationen, die Ihnen wohl kaum etwas nützen.«
»Das klingt fast, als ob Sie nicht einmal überrascht sind?«, sagte Barbarotti.
»Natürlich bin ich überrascht«, entgegnete sie. »Das ist man ja wohl immer, wenn jemandem, den man kennt, ein Unglück zustößt.«
Nein, dachte Gunnar Barbarotti, als er Christina Lind Bergman zehn Minuten später zum Fahrstuhl begleitete. Ein Beruhigungsmittel war in diesem Fall wirklich nicht nötig.
»Rate mal«, sagte Eva Backman.
»Fünfundzwanzig«, sagte Gunnar Barbarotti.
»Nicht ganz«, sagte Backman. »Die richtige Antwort lautet neunzehn. Aber das ist schlimm genug, wie ich finde.«
»Sicher«, bestätigte Barbarotti. »Lass mal sehen.«
Sie reichte ihm die Liste. Er warf schnell einen Blick auf die Anna Erikssons. »Ein paar werden anders geschrieben«, fiel ihm auf.
»Drei mit c, eine
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