Eine ganz andere Geschichte
Eriksson gefunden?«
»Bis jetzt nicht«, meinte Barbarotti. »Aber wir haben eine Gruppe, die daran arbeitet. Es gibt in Bergmans näherem Bekanntenkreis keine Anna Eriksson, ich glaube, das können wir mit Sicherheit sagen. Wir sind jetzt bei den Bekannten der Bekannten sozusagen, das ist ein wenig verzwickt, weil …«
»Weil ihr mit dem Brief nicht an die Öffentlichkeit wollt«, ergänzte Lillieskog und sah für einen Moment fast erregt aus, wie Barbarotti schien. »Nein, das ist sicher eine richtige Entscheidung.«
»Entschuldige mal«, sagte Gunnar Barbarotti. »Du hast gesagt, die eine Alternative wäre, dass die Opfer zufällig ausgesucht werden, jedenfalls mehr oder minder, und dass der Mörder die Briefe an mich schreibt, weil er eigentlich will, dass ich ihn fasse. Aber warum schreibt er dann ausgerechnet mir? Und was ist die andere Alternative? Du hast gesagt, es gäbe zwei.«
Lillieskog kaute sorgfältig und spülte mit einem Schluck Preiselbeersaft nach. »Warum er ausgerechnet dir schreibt, das ist eine schwere Frage. Er kann irgendeine Art Beziehung zu dir haben … ein früherer Krimineller, den du mal eingebuchtet hast zum Beispiel, ihr solltet in dieser Richtung mal recherchieren … aber es kann auch genügen, dass er deinen Namen kennt. Du kannst in Zeitungen oder im Fernsehen zu sehen gewesen sein … stehst du im Telefonbuch?«
Gunnar Barbarotti nickte.
»Das kann genügen. Du hast womöglich gar keine Ahnung, um wen es sich handelt, ganz im Gegenteil, ich halte es für möglich, dass du den Täter gar nicht kennst. Aber deine andere Frage – was ist die Alternative Nummer zwei? –, ja, die Antwort auf diese Frage ist natürlich, dass wir es mit einer raffinierten Person zu tun haben.«
Eine raffinierte Person?, dachte Barbarotti. Das klingt, als spräche er von Karlsson vom Dach oder einer ähnlichen Größe. »Du meinst also …?«, sagte er.
»Ich meine, dass es einen viel rationaleren Grund dafür geben kann, dass er … lass uns der Einfachheit halber voraussetzen, dass es sich um einen Mann handelt … dass er Briefe schreibt, meine ich. Dass dadurch auf irgendeine Art und Weise die Arbeit der Polizei erschwert wird.«
Er verstummte und betrachtete Barbarotti mit einem Blick, der fast Entzücken zeigte. Barbarotti legte Messer und Gabel hin. Wischte sich den Mund mit der Serviette ab, während er versuchte zu verstehen, wovon Lillieskog sprach.
»Die Arbeit der Polizei erschweren?«, sagte er. »Jetzt komme ich nicht mehr ganz mit. Auf welche Art könnte er denn unsere Arbeit erschweren, indem er …?«
Lillieskog hob einen Zeigefinger. »Das lässt sich nicht so einfach sagen. Und vielleicht gelingt ihm das ja auch gar nicht. Ich habe nur gesagt, dass es sein Ziel ist, Verwirrung anzurichten. Die Briefe können dazu gedacht sein, etwas zu verbergen. Ihr müsst ja viel Energie darauf verwenden, die Sache zu verstehen, warum um alles in der Welt er euch schreibt und Tipps gibt … und diese Energie könnte woanders besser eingesetzt sein.«
Gunnar Barbarotti überlegte. Fand, das klang gleichzeitig bestechend und vollkommen unlogisch.
»Es kann aber auch so sein, dass er eigentlich nur darauf aus war, diesen Bergman zu ermorden«, fuhr Lillieskog begeistert fort. »Und dass er die Aufmerksamkeit sozusagen ablenken will. In alle möglichen Richtungen. Und das muss man ihm wohl zugestehen: Es ist ihm auch gelungen.«
»Wenn das die Alternative ist, um die es geht«, sagte Barbarotti, nachdem er einige Sekunden schweigend dagesessen hatte, »dann setzt sie einen ziemlich gut strukturierten Täter voraus. Oder?«
Lillieskog beugte sich über den Tisch und senkte seine Stimme. »Sie setzt einen außerordentlich gut strukturierten Täter voraus«, präzisierte er. »Ich brauche wohl nicht erst hinzuzufügen, dass wir es in diesem Fall mit einer unerhört komplizierten Geschichte zu tun haben. Unerhört kompliziert.«
»Wie war er?«, wollte Eva Backman eine halbe Stunde später wissen. »Der Profiler.«
»Nicht ganz gescheit«, antwortete Barbarotti. »Aber das Schlimmste ist, dass er im ein oder anderen Punkt wohl Recht hat.«
»Was meinst du damit?«
»Na, dass er im ein oder anderen Punkt Recht hat natürlich. Er hat so einiges gesagt, was stimmen könnte.«
»Danke, das habe ich verstanden. Und was zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, dass wir es vielleicht mit einem Kerl zu tun haben, der ziemlich gerissen ist. Der … ja, der das, was er da treibt, genau durchdacht
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