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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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überfallen.
    Und wenn jetzt morgen ein neuer Brief mit einem neuen Namen kam? Was sollten sie dann tun?
    Wenn eine der Annas, mit denen sie gesprochen hatten, anfing zu ahnen, worum es ging?
    Und das schlimmste Szenario von allen: Wenn eine der Annas tatsächlich ermordet wurde und es danach bekannt wurde, dass die Polizei genau davor gewarnt worden war – es aber unterlassen hatte, irgendwelche Schutzmaßnahmen zu ergreifen?
    Nein, dachte Gunnar Barbarotti. Wenn wir morgen mit den Gesprächen beginnen, müssen wir mit offenen Karten spielen. Koste es, was es wolle.
    Aber vielleicht konnten sie die Sicherheitspolizei anrufen und sie bitten, achtunddreißig Mann herzuschicken? Machten sie das nicht so, wenn sie Spitzenpolitiker und solche Leute schützen wollten? Zwei pro Bewachungsobjekt? Aber es gab natürlich einen Unterschied zwischen einem Minister und einer ganz normalen Anna Eriksson.
    Aber warum nicht allen Annas anbieten, im Polizeipräsidium eingeschlossen zu werden? Das wäre zweifellos die eleganteste und die billigste Variante.
    Als dieser Gedanke in seinem Kopf auftauchte, wurde ihm klar, dass es Zeit war, nach Hause zu gehen und dem Körper ein paar Stunden Schlaf zu gönnen.
    Jeder Tag bringt seine eigenen Sorgen. Wie wahr.

    8
    D och der Versuch, eine Mütze Schlaf zu bekommen, war zum Scheitern verurteilt.
    Natürlich, wie immer. Er schaffte es nicht, die Augen offen zu halten, solange er noch lesen konnte, aber sobald er sie schloss und zu schlafen versuchte, fühlte sich der ganze Kopf an wie ein Bienenstock. Als die Uhr halb eins zeigte, stand er auf, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und ließ sich am Schreibtisch nieder. Dort blieb er eine Weile in der Dunkelheit sitzen und schaute aus dem Fenster auf den Bach von Kymlinge. Es war ein trockener Sommer gewesen. Die blassgelben Ovale der Straßenlampen reflektierten sich im Wasser, wurden aber auch gefiltert, gedämpft, der Wasserspiegel war so niedrig, dass hineingeworfene Fahrräder und jede Menge anderer Schrott aus dem Morast ragten. Das sah nicht schön aus. Wahrscheinlich könnte man in diesem Matsch nicht einmal jemanden ertränken, dachte Inspektor Barbarotti und trank einen Schluck Bier.
    Warum ausgerechnet dieser Gedanke in seinem Kopf auftauchte, wusste er nicht zu sagen.
    Er zündete eine Lampe an und schlug einen neuen Collegeblock auf. Warum nicht ein wenig Struktur in die Gedanken bringen, das war immer gut, um den Bienenstock zum Schweigen zu bringen. Er zog einen Stift aus dem alten Teebecher und überlegte; dann schrieb er schnell die Namen von vier Personen auf:
    Erik Bergman
Anna Eriksson
    Gunnar Barbarotti
Der Mörder
    Der vierte war zwar kein Name, das sah er ein, aber auf ihn lief doch irgendwie das ganze Spiel hinaus. Seinen Namen zu finden. Er malte um jeden der vier Teilnehmer einen Kreis. Es nützte nichts. Er machte ein Kreuz hinter Der Mörder und starrte es eine halbe Minute an, aber auch das nützte nichts. Er riss die Seite heraus, warf sie in den Papierkorb und begann von vorn. Zeichnete diesmal ein Quadrat mit einem Namen in jeder Ecke. Unterstrich die Namen und zeichnete Diagonalen. Starrte das Ergebnis eine Weile an. Riss die Seite heraus und warf sie in den Papierkorb. Quatsch, dachte er.
    Dann fing er stattdessen an, Fragen aufzuschreiben. Nach zehn Minuten hatte er zwanzig Stück beisammen. Er brach ab und überlegte. Beschloss, zu sehen, auf welche er eine Antwort geben konnte, kaute auf dem Stift und konzentrierte sich.
    Nach weiteren zehn Minuten stand er immer noch auf null. Verdammte Scheiße, dachte Gunnar Barbarotti, es klappt nicht. Zwanzig Fragen und keine einzige Antwort. Man kann wirklich nicht behaupten, dass die Ermittlungen sehr weit gediehen sind. Wobei – wenn man es genau betrachtete, hatte er erst einen Tag daran gearbeitet. Um die wichtigen Antworten zu finden, war es nötig, zuerst die wichtigen Fragen zu stellen, das war eine gute alte Regel. Er überlegte kurz, ob er sich nicht mit dem Herrgott beraten sollte, hatte aber Probleme, die rechten Worte zu finden. Es erschien ihm auch nicht richtig. Der Deal, den sie vor fünf Jahren eingegangen waren, hatte zur Bedingung – wenn er sich recht erinnerte, es gab leider diesbezüglich keine schriftlichen Unterlagen –, dass er nichts wünschen durfte, was unmittelbar in laufenden Ermittlungen helfen konnte. Der Herr war wie gesagt nicht allmächtig, und vor allem war er kein Polizist, aber nach einer Weile fand Barbarotti trotzdem

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