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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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muss in Visby sein«, fuhr Viveka Hall Eriksson fort. »Der Rest ist nur Bauernland und Mist. Und natürlich nur im Sommer. Wie schrecklich, dort das ganze Jahr über leben zu müssen.«
    »Sie hat nicht erwähnt, dass sie sich bedroht fühlt oder so, als sie mit Ihnen gesprochen hat?«, fragte Barbarotti.
    »Bedroht? Nein, sie hat sich nicht bedroht gefühlt. Warum sollte sie?«
    Barbarotti trank von seinem Kaffee und nahm einen Singoallakeks, während er überlegte, was er anstellen sollte, um zu ihr durchzudringen. »Weil sie ein paar Tage später ermordet wurde beispielsweise«, sagte er. »Haben Sie das vergessen?«
    »Vergessen?«, schrie sie und riss die Augen auf. »Wie sollte ich vergessen können, dass meine Tochter ermordet wurde? Sind Sie nicht ganz bei Trost? Sehen Sie zu, dass Sie den, der das getan hat, lieber zu fassen kriegen, statt hier herumzusitzen und zu insi… insu… verdammt, wie heißt das?«
    »Zu insinuieren?«, schlug Barbarotti vor.
    »Genau, ja. Hier herumzusitzen und zu inseminieren! Schnappen Sie den, der meine Anna getötet hat, denn dafür bezahlen wir unsere Steuern, Herr Kommissar.«
    »Hm«, räusperte Barbarotti sich. »Genau deshalb bin ich ja hergekommen. Um zu sehen, ob Sie nicht irgendwelche Hinweise haben, die uns helfen könnten. Meine Kollegen in Kymlinge reden gerade mit den Bekannten Ihrer Tochter, mit allen, die wir erreichen konnten, und …«
    »Ich kann Ihnen sagen, was für ein Typ das ist, nach dem Sie suchen müssen«, unterbrach sie ihn wütend und schlug mit dem dicken Bündel an Armreifen, die um ihr linkes Handgelenk hingen, auf den Tisch. »Sie müssen nach einem dieser Einwanderer suchen. Einem Ausländer. Die kriegen doch keine Frauen, und dann greifen sie zu jedem erdenklichen Mittel. Das war bestimmt irgend so ein verdammter Araberneger, der das meiner Anna angetan hat. Sie brauchen nur loszugehen und nach denen zu suchen. Die sind nicht wie wir, die riechen nicht wie wir, und ich begreife nicht, was die überhaupt in unserem Land zu suchen haben.«
    »Jetzt gehen Sie aber zu weit …«
    »Ich sage, was ich will!«, schrie Viveka Hall Eriksson. »Das hier ist mein Haus!«
    Als er das Haus verlassen hatte, hätte er am liebsten einen Stein von der Straße aufgehoben und ihn durchs Küchenfenster geworfen. Er riss sich zusammen und ließ stattdessen einen langen Fluch durch die zusammengebissenen Zähne entweichen.
    Dass es immer noch solche Menschen gibt, dachte er. Wie kann man nur so vulgär sein? Eine vierundsechzigjährige Mutter von neun Kindern?
    Sicher, er war es gewohnt, bei seiner Arbeit auf das eine oder andere zu stoßen, aber heute – an diesem herrlich sonnigen Vormittag mitten im Hochsommer – heute war er nicht darauf vorbereitet gewesen. Nicht in diesem ordentlichen Haus in dieser gepflegten Vorortgegend.
    Eine Mutter, die gerade ihre Tochter verloren hatte.
    Verdrehter verborgener Rassismus, dachte Gunnar Barbarotti. Hand in Hand mit einzigartiger Dummdreistigkeit. Verdammte Scheiße, was für eine idiotische Gans.
    Wobei die Frage war, inwieweit ihr Rassismus überhaupt verborgen war. Sie hatte mit ihren Ansichten nicht hinterm Berg gehalten, dessen konnte man sie nun wahrlich nicht beschuldigen.
    Aber sie hat ihre einfältigen Gene neunmal weitergegeben, dachte er mit finsterer Miene und stieg ins Auto. Und wenn alle ihre Kinder wiederum …
    Nun ja, achtmal höchstens, fiel ihm dann ein. So, wie es jetzt stand. Anna Eriksson aus der Skolgatan in Kymlinge hatte, soweit bekannt war, keine Kinder in die Welt gesetzt, obwohl sie über dreißig gewesen war, also …
    Nein, jetzt begebe ich mich aber auf gefährliches Terrain, unterbrach er sich selbst und drehte den Zündschlüssel. Beruhigen Sie sich, Herr Inspektor. Demokratie ist auf lange Sicht gesehen trotz allem die be ste Lösung, und nicht alle Menschen hier in diesem Land heißen Viveka Hall Eriksson.
    Er beschloss, das Gespräch mit Sara auf den Abend oder den nächsten Tag zu verschieben. Seine Empörung hatte sich zwar etwas gelegt, aber es gab sie immer noch. Wenn er mit seiner Tochter sprach, wollte er ruhig und hellhörig sein, nicht aufgewühlt und misanthropisch.
    Stattdessen wählte er die Nummer von Inspektorin Backman, um zu hören, wie sich die vormittäglichen Einsätze an der Heimatfront gestaltet hatten.
    Backman klang verärgert.
    »Hier ist das reinste Chaos«, sagte sie.
    »Wieso das?«, fragte Barbarotti.
    »Unter anderem, weil heute mehrere Seiten über uns in

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