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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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beunruhigend, Gunnar. Verdammt beunruhigend. Glaubst du … ich meine, glaubst du, dass es noch mehr werden?«
    Gunnar Barbarotti saß eine Weile schweigend da und betrachtete ihre ineinander verschränkten Finger. »Ich weiß nicht so recht, was ich glauben soll«, stellte er dann fest. »Wenn ich ehrlich bin, dann …«
    »Ja?«
    »Wenn ich ganz ehrlich bin, dann ist mir das Ganze ein Rätsel.«
    »Mir auch«, sagte Eva Backman, streckte den Rücken und schien wieder Mut zu fassen. »Wollen wir uns die Befragungen teilen?«
    »Das werden wir tun«, sagte Barbarotti.

III
Aufzeichnungen aus Mousterlin
    1. – 8. Juli 2002
    Ein paar Tage lang bin ich gewandert. Unser Haus liegt ganz am Ende des Marschlandes, Marais de Mousterlin, man biegt direkt vor unserer blau angestrichenen Pforte nach rechts ab, und schon ist man da. Schmale, sich windende Kieswege führen kreuz und quer durch eine Art fruchtbares Sumpfland mit merkwürdigen Gewächsen, Vögeln und brackigen Wasserpfützen. Man begegnet dem ein oder anderen Wanderer, dem ein oder anderen Hund, aber nicht vielen – die eigenartige Landschaft erstreckt sich den ganzen Weg entlang hinter dem Strand zwischen Mousterlin und Beg-Meil; gestern ging ich sogar noch am Leuchtturm vorbei weiter, den Wanderweg die Küste entlang bis Cap Coz. Es ist schön, hier allein zu sein, von Zeit zu Zeit vergesse ich, dass ich hier in meinem wahren Element bin: in aller Ruhe wandern zu können, ganz in meine Gedanken und meine Vorstellungen versunken. Die Fruchtbarkeit, die mich umgibt und meine Schritte begleitet, erscheint düster und mit einem Hauch von Mystik beladen; Erotik und Tod liegen in diesem warmen, fruchtbaren Dschungel dicht beieinander. Sicher gibt es hier viele Insekten, deren Lebensspan-ne nur einen Tag umfasst, sie werden morgens geboren, sterben abends und vermodern in der Nacht.
    Ich musste mich auch ab und zu daran erinnern, wo ich mich eigentlich befinde, in einem größeren Zusammenhang gesehen, und letztlich sogar, wer ich bin. Jetzt, am Nachmittag, tauchten sie wieder auf, die Gedanken an Anna und ihr nasses Haar nach dem nächtlichen Nacktbad, und ich war gezwungen, an einer sonnenwarmen Lichtung Halt zu machen und ihre aufdringliche Präsenz wegzuonanieren. Anschließend kletterte ich zu dem kleinen Strand Bot Conan hinunter und nahm ein Bad. Schwamm wohl gut eine Stunde in der Bucht herum, und währenddessen beschloss ich, noch weitere vier, fünf Tage zu bleiben. Bis Dienstag oder Mittwoch nächster Woche. Dann sollte es mit dieser Gesellschaft gut sein; ich habe den Verdacht, dass wir in irgendeiner Form auch das Wochenende mit den Malmgrens und Gunnar und Anna verbringen werden, was mich gleichzeitig verlockt und ein wenig anwidert. Ich gebe gerne zu, dass ein gewisser Reiz darin liegt, in einer Gesellschaft zu verkehren, in der man für niemanden auch nur die geringste Sympathie empfindet. Die erotischen Suggestionen nicht miteingerechnet.
    Was Erik dieser Tage so tut, das weiß ich nicht. Gestern und heute habe ich ihn kurz nach dem Frühstück verlassen, heute Abend aßen wir Moules marinières im Le Grand Large, aber er hat mir nicht erzählt, was er vorhat. Ich nehme an, dass er auf der Terrasse oder unten am Strand gelegen und sich gesonnt hat, er ist braun wie ein Grillhähnchen, und wahrscheinlich hat er auch den ein oder die andere aus der übrigen Schwedenkolonie getroffen.
    Letzteres weiß ich übrigens sicher, da er mir von dem immer noch existierenden Plan hinsichtlich einer Bootsfahrt zu Les Glénan erzählt hat. Eigentlich nicht besonders viel, aber Gunnar, vielleicht war es auch Henrik, hatte Kontakt gehabt mit einem Engländer, der offenbar hier fest lebt und bereit ist, sein Boot für einen Tag zu vermieten.
    Geplant ist anscheinend, dass wir alle sechs fahren. Erik hat nie gefragt, ob ich überhaupt Lust habe, mitzukommen, aber vielleicht hat er gerade aus diesem Grund das Thema aufgegriffen. Um mir die Möglichkeit zu geben, abzulehnen – hier und jetzt im Le Grand Large –, und da ich das nicht getan habe, geht man wohl davon aus, dass ich mitkomme und meinen Beitrag an den Kosten beisteure. Und wenn ich meine Gedanken und Beweggründe genauer überdenke, kann ich nicht behaupten, dass ich einen größeren Widerstand gegen diese Vereinbarung spüre.
    Warum nicht?
    Warum? Warum nicht? Ständig diese zwei trockenen Fragen, die sich nicht beiseite schieben lassen und die mir keine Ruhe lassen. Es müsste deutlichere Wegweiser

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