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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Kirschen – sie hatten sich wirklich Mühe gegeben, und die Kühltasche mit dem Elsässer Wein enthielt nicht weniger als acht Flaschen.
    In den folgenden zweieinhalb Stunden leerten wir sechs davon. Troaë behauptete, dass sie mit Wein und Wasser aufgewachsen sei, und erhielt auch ein Glas. Wieder kam die gleiche Art von müder Strandkonversation auf, je mehr Wein, umso müder; Gunnar beharrte eine Weile darauf, von Troaë das Aquarell zu kaufen, das Mädchen erklärte, dass sie es am nächsten Tag fertig malen wolle –, wenn wir dann am Strand wären, werde sie schon kommen und das Werk präsentieren. Vielleicht könnten wir ja eine Auktion zu dem Bild veranstalten, sie hatte zusammen mit ihrem Papa schon mehrere Auktionen besucht und wusste, wie es da vor sich ging. Gunnar und Erik diskutierten diesen Vorschlag eine Weile mit simuliertem Ernst, verloren aber bald das Interesse. Sie gingen dazu über, sich über die sonderbare Vorliebe der Franzosen für süßes, schlechtes Frühstück zu unterhalten und andere naheliegende Themen. Das Mädchen wurde immer stiller, begann irgendwann in einem Buch zu lesen, das sie aus ihrem kleinen Rucksack hervorzog, ich selbst holte die Bekenntnisse des Augustinus hervor, die mir auf all meinen Reisen Gesellschaft leisten, und auf diese Weise hatten das Mädchen und ich eine Art Grenzstein zwischen uns und der übrigen Gesellschaft gesetzt. Eine dünne, aber bedeutsame Grenzlinie. Ich dachte eine Weile über den Herr-der-Fliegen-Aspekt nach; eine Situation wie jetzt, in der wir schiffbrüchig und gezwungen wären, monatelang auf der Insel zu leben – und wie das Mädchen und ich mit der Zeit eine Art Enklave bilden würden, eine Front gegen die Barbarei, sah aber schnell ein, dass der Idee sowohl Tragkraft als auch Glaubwürdigkeit fehlten.
    Kurz nach halb drei kam ein anderes Boot und ankerte am anderen Ende des Strandes, ein Mann und eine Frau gingen an Land und ließen sich jeder in einem Liegestuhl nieder.
    »So«, sagte Gunnar. »Jetzt ist das Publikum groß genug. Jetzt kannst du nackt baden, Anna.«
    Anna ließ sich nicht zweimal bitten. Auf etwas unsicheren Beinen erhob sie sich, zog den Bikini aus und sprang ins Wasser. Es hätte sicher schön ausgesehen, wenn sie nicht zu betrunken gewesen wäre; sie stolperte und fiel hin, als sie nur einige Meter im Wasser war. Sie fluchte, kam wieder auf die Füße und drehte sich zu uns um. »Nun kommt schon, ihr Feiglinge!«, schrie sie. »Stellt euch nicht so an, das hier ist schließlich das Paradies!«
    Katarina Malmgren zögerte eine Sekunde, länger nicht, dann warf sie den Bikini weg und lief hinter Anna her. Sie war deutlich sicherer auf den Beinen, schaffte es ein gutes Stück weiter ins Wasser und warf sich aus eigener Kraft mit Schwung hinein.
    Gunnar lachte. Erik lachte und rief »Bravo«. Henrik und ich gaben keinen Kommentar ab. Troaë klatschte in die Hände und rief etwas auf Französisch, was ich nicht verstand; dann lief sie hinter den beiden nackten Frauen auch ins Wasser.
    Dieses Mal behielt sie ihren Badeanzug an. Ich fragte mich, wieso. Vielleicht sah sie ein, dass sie mit zwei so üppigen Körpern wie denen von Anna und Katarina nicht konkurrieren konnte, aber vermutlich schrieb ich ihr mehr List und Berechnung zu, als sie besaß.
    Nach ein paar Minuten begab sich auch das männliche Quartett ins Wasser. Alle behielten ihre Badehosen an – was mich betrifft, hatte ich gute Gründe dafür, und ich sah, dass zumindest Erik sich in der gleichen misslichen Situation befand.
    Das fremde Paar verließ den Strand gegen vier Uhr, und ungefähr zur gleichen Zeit erklärten Anna und Gunnar, dass sie gern eine Expedition auf eigene Faust unternehmen wollten. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir auch die restlichen Weinflaschen geleert, es war ziemlich offensichtlich, dass sie bumsen wollten und ein wenig Abgeschiedenheit brauchten.
    »Wir nehmen das Boot und fahren zu Les Bluinieres«, sagte Gunnar, mit der Karte winkend. »Das müssen die da hinten sein.« Er zeigte auf ein paar kleine Inselsilhouetten Richtung Westen. »Wir sind in einer Stunde zurück, okay?«
    »Macht das«, sagte Katarina Malmgren. »Und viel Spaß, haha.«
    »Haha«, sagte Anna.
    »Worüber redet ihr jetzt?«, wollte Troaë wissen.
    »Das zu verstehen, dazu bist du noch zu klein«, antwortete Katarina.
    »Sag das nicht«, warf Erik ein, während er nachdenklich Gunnar und Anna nachschaute, die bereits auf dem Weg zum Boot waren. »Sag das

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