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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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nicht.«
    »Ich will wissen, worüber ihr redet«, protestierte Troaë und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das ist ungerecht.«
    »Das geht mit dem Alter vorbei«, sagte Erik. »Du musst lernen, ein bisschen mehr Geduld zu haben, mein kleines Mädchen.«
    Er sagte das auf Schwedisch, und ich denke nicht, dass Troaë begriff, dass er mit ihr sprach. Ich meinerseits spürte, wie der Wein und die Sonne einen Knoten in mein Gehirn knüpften. Mir war klar, dass ich am besten ein wenig Schatten aufsuchen und eine Weile schlafen sollte. Wir saßen schweigend da und beobachteten, wie Gunnar und Anna an Bord kletterten, wie Gunnar nach ein wenig Hin und Her den Motor startete und wie sie um die Klippen herumfuhren, auf Les Bluinieres zu.
    »Ungerecht«, wiederholte Troaë, als sie außer Sichtweite waren, und dieses Mal war überhaupt nicht klar, worauf sie damit eigentlich abzielte. Erik kam auf die Beine. »Ich denke, ich werde einen Spaziergang um die Insel herum machen«, sagte er. »Du kannst ja mitkommen, Troaë.«
    Das brachte er in fehlerfreiem Französisch hervor, soweit ich das beurteilen konnte, als hätte er schon eine Weile gesessen und das in seinem Kopf vorformuliert.
    »Oui, Monsieur!«, rief das Mädchen. »Avec plaisir!« Sie sprang auf, ergriff seine Hand, und die beiden schlugen den Weg entlang dem Wasser auf die Sonne zu ein.
    Ich blieb mit Henrik und Katarina Malmgren allein zurück. Katarina hatte sich gerade auf den Bauch gelegt und ihren Mann gebeten, ihr den Rücken einzucremen. Ich begriff, dass es an der Zeit war, meinen Plan von einer Siesta in die Wirklichkeit umzusetzen. Nahm mein Handtuch und zog mich in den Schatten der Bäume zurück. Dachte, dass ich onanieren sollte, bevor ich einschlief, war aber viel zu müde und betrunken, um es zustande zu bringen.
    Ich wachte mit Kopfschmerzen auf. Und davon, dass ich fror.
    Möglicherweise auch davon, dass Henrik Malmgren einen Meter von mir entfernt stand und sich räusperte. »Bist du wach? Wir haben ein Problem.«
    »Ein Problem?«
    »Ja. Gunnar und Anna sind mit dem Boot nicht zurückgekommen. Es ist jetzt halb sieben.«
    Ich setzte mich auf und schaute auf meine Armbanduhr. Ich hatte mehr als zwei Stunden geschlafen. In den Schläfen pochte es vor Schmerz. Ich sah, dass sie unser Lager ein wenig landeinwärts verlagert hatten, nicht mehr als zehn, fünfzehn Meter von meinem Schlaf-platz unter den Bäumen entfernt. Katarina Malmgren und Troaë saßen dicht beieinander mit dem Rücken zu mir, Erik ein paar Meter weiter. Mich überlief ein Schauder, ich spürte, dass ein kalter Wind aufgekommen war, und bemerkte dunkle Wolken am Himmel.
    »Nicht zurückgekommen?«, fragte ich. »Wieso nicht?«
    »Keine Ahnung«, sagte Henrik. »Wir haben es mehrere Male versucht, sie auf ihrem Handy anzurufen, aber sie melden sich nicht.«
    »Vielleicht haben sie es gar nicht mitgenommen.«
    »Kann sein«, nickte Henrik. »Auf jeden Fall muss etwas passiert sein, und wahrscheinlich wird es auch noch bald anfangen zu regnen.«
    »Entschuldige«, sagte ich und zog mich hoch. »Ich muss mir was anziehen.«
    »Ich glaube, die Temperatur ist um fünfzehn Grad gesunken«, sagte Henrik.
    Wir gingen zu den anderen. Ich zog mir meine Hose und einen langärmligen Pullover über.
    »Hier, nimm einen Schluck«, sagte Erik und reichte mir eine Flasche Calvados. »Diese verdammten Karnickel sind nicht zurückgekommen.«
    »Habe ich gehört«, bestätigte ich und trank einen ordentlichen Schluck direkt aus der Flasche. Betrachtete die übrigen. Das Mädchen hatte sich dicht an Katarina Malmgren gedrückt, die ihren Arm um sie gelegt hatte. Sie sah besorgt aus. »Ich glaube, das Mädchen ist krank«, sagte sie. Ich schaute Erik an, erinnerte mich daran, dass er mit ihr spazieren gegangen war, bevor ich einschlief. Er wandte den Blick ab und spähte übers Meer, hin zu den Inseln, von denen wir glaubten, es wären Les Bluinieres. Es war nicht mehr möglich, dort draußen Konturen zu erkennen, das Licht über dem Wasser hatte sich verändert, noch hatte die Dämmerung nicht eingesetzt, aber die Sicht war deutlich eingeschränkt. Einen halben Meter hohe Wellen schlug das Meer, und es war zu erkennen, dass das Unwetter nicht weit entfernt war. Ich fragte, ob sie nicht darüber nachgedacht hatten, jemanden an Land anzurufen.
    »Wir wissen nicht, wen wir dort anrufen könnten«, sagte Henrik Malmgren.
    Mir fiel auf, dass er etwas nuschelte. Meine Kopfschmerzen schlugen mir zwei

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