Eine ganz andere Geschichte
hatten wir nur fünf.«
»Stimmt, aber da wussten wir ja auch noch nicht, ob es Ernst war oder nicht.«
Eva Backman nickte. »Ja, da magst du recht haben. Möglicherweise ist es so einfach … außerdem hat er vielleicht noch gar nicht beschlos sen, welchen von ihnen er töten will. Vielleicht sucht er sich einen aus, der schlecht überwacht wird. In dem Fall …«
»In dem Fall«, ergänzte Barbarotti, »haben wir es mit einem zu tun, der durch und durch wahnsinnig ist. Nein, ich hoffe, es gibt einen Zusammenhang. Das macht das Ganze zumindest ein bisschen begreiflicher … wenn es zumindest einen Grund gibt.«
Er betrachtete das Foto erneut. »Was meinst du, wo das gemacht wurde?«, fragte er. »Irgendetwas sagt mir, nicht in Schweden.«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, sagte Eva Backman. »Irgendwas ist da mit der Bank und dem Papierkorb. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht hier im Land aufgenommen wurde.«
»Ausgezeichnet«, bemerkte Barbarotti. »Dann müssen wir ja nur noch den Rest der Erdkugel untersuchen.«
Eva Backman knüllte den Pizzakarton zusammen und drückte ihn in den Papierkorb. »Ich wette einen Hunderter, dass das Bergman ist«, sagte sie und streckte sich. »Hältst du dagegen?«
»Kann ich gerne tun«, sagte Barbarotti. »Aber ich habe meine Zweifel, dass wir jemals erfahren, wer von uns recht hat.«
»Du bist viel zu pessimistisch, das ist dein Fehler«, stellte Inspektorin Backman fest.
Aber er konnte auch in ihrem Gesicht keinen größeren Optimismus ausmachen, als sie das sagte. Nur die gleiche Müdigkeit, die er selbst verspürte. »Soll ich dich nach Hause fahren?«, fragte er. »Ich bin mit dem Auto da.«
Eva Backman zögerte einen Moment.
»In Ordnung«, sagte sie. »Ich hatte schon überlegt, hier zu schlafen, es ist ja sowieso niemand zu Hause. Aber eine Dusche und ein richtiges Bett sind vielleicht auch nicht schlecht.«
Vor drei Jahren, dachte Gunnar Barbarotti, hätte ich sie in so einer Situation auf ein Bier zu mir nach Hause eingeladen.
Aber das war vor drei Jahren.
13
W ir müssen das mit dem Brief noch einmal diskutieren«, sagte Hauptkommissar Jonnerblad. »Tallin und ich haben gestern Abend darüber gesprochen und sind ungefähr zu den gleichen Ergebnissen gekommen.«
Man saß in einem Zimmer im dritten Stock, das für die beiden zugereisten Beamten von der Zentrale zurechtgemacht worden war. Wand an Wand mit Kommissar Asunander, sonst wurde dieser Raum für Konferenzen auf höchster Ebene genutzt – vorzugsweise zwischen Polizeipräsident Lindweden, Asunander und anderen hervorragenden Beamten. Soweit Barbarotti wusste, war er mindestens einmal im Jahr belegt, wenn Lindweden seine Rotarybrüder zum Weihnachtspunsch einlud. Die Einrichtung war hübsch, helle, geäderte Birke, weinrote Ledersitze auf den Stühlen, und an den Wänden hingen Bilder. Zwar nur Reproduktionen, ein paar Fichten und ein bisschen Meer im Sturm, aber immerhin. Es gab eine Kaffeemaschine und einen kleineren Kühlschrank, der brummend in einer Ecke stand. Ein Whiteboard und einen Fernsehapparat mit DVD und Video.
Hauptkommissar Jonnerblad hatte die Leitung – es gab eigentlich keine offen ausgesprochene Rangordnung, aber er war mindestens zehn Jahre älter als Tallin, hatte dünneres Haar und deutlich mehr Falten im Gesicht. Insgesamt wirkte er energetisch, deshalb war diese Entscheidung ganz natürlich. Kommissar Tallin war kleiner im Wuchs, ein wenig schmächtig, in Barbarottis Alter ungefähr. Ruhig und nachdenklich, fast höflich auf eine altmodische Art und Weise. Er erinnerte ein wenig an einen Mathematiklehrer, den Barbarotti im Gymnasium gehabt hatte, so eine Persönlichkeit, die mit der Zeit wuchs, mit jeder schläfrigen Doppelstunde, jeder Klassenarbeit und jedem Halbjahr, das verging. Der Umgang mit dieser Sorte Mensch ist angenehm, dachte Gunnar Barbarotti, Leute, die ihrer Umgebung nicht ständig das eine oder andere beweisen müssen, die über ihre Fähigkeiten und ihre Schwächen Bescheid wissen und sie zu steuern verstehen.
Auch an Jonnerblad war nichts auszusetzen, aber er ging irgendwie einen anderen Weg. Er hatte anfangs eine ziemlich bescheidene Rolle eingenommen, sich jedoch nach und nach immer mehr aus dem Fenster gelehnt. Wenn man von Asunander absah, bestand die Führungsgruppe aus sechs Personen – aber wenn wir ein Rudel Hunde wären, dachte Gunnar Barbarotti, dann wäre es Jonnerblad, der als Erster fressen und sich die Hündin
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