Eine ganz andere Geschichte
vornehmen dürfte.
Obwohl sich Eva Backman natürlich nie im Leben eine Hündin vornehmen würde.
»Jana?«, sagte Astor Nilsson. »Die Briefe?«
»Hm«, räusperte sich Tallin. »Die Briefe, ja. Wir wollen dabei in erster Linie die Tatsache im Auge behalten, dass sie an dich adressiert sind, Barbarotti.«
»Über diese Tatsache habe ich auch nachgedacht«, sagte Barbarotti. »Immer wieder.«
»Ausgezeichnet«, sagte Jonnerblad. »Unser Mörder hat sich also von Anfang an dazu entschieden, mit dir zu kommunizieren. Das muss etwas bedeuten, er muss eine Beziehung zu dir haben. Ich weiß, dass du darüber schon nachgedacht hast, aber wir, Tallin und ich, wir möchten, dass du das auf etwas systematischere Art tust. Dass du dir Zeit dafür nimmst. Wir glauben, das könnte sich lohnen.«
Barbarotti dachte einen Moment lang nach.
»Was soll ich deiner Meinung nach tun?«, fragte er. »Konkreter gesagt.«
»Also«, begann Jonnerblad und zeigte eine senkrechte Falte auf der Stirn. »Wir stellen uns einen Täter vor, der aus irgendeinem Grund nicht nur eine bestimmte Anzahl von Menschen töten will. Er will dabei auch die Polizei an der Nase herumführen. Aber nicht die Polizei insgesamt, sondern er sucht sich einen bestimmten Polizisten aus. Dich, Barbarotti. Warum tut er das?«
»Weil …«
»Weil er weiß, wer du bist, ja. Und wenn der Mörder weiß, wer du bist, dann müsste das doch bedeuten, dass du weißt, wer der Mörder ist. Du musst eine Art von Beziehung zu ihm haben, wie gesagt. Die kann alt sein wie Methusalem, es kann jemand sein, den du vor langer Zeit eingebuchtet hast, es kann sogar jemand sein, dem du auf dem Schulhof eins aufs Maul gehauen hast, als du in die vierte Klasse gegangen bist. Aber das Wichtige dabei ist, dass es ihn gibt. In deiner Vergangenheit irgendwo, Barbarotti, und wir, Tallin und ich, wir wollen also, dass du dich hinsetzt und ihn ausgräbst.«
Das klingt wie aus einem Trailer für einen schlechten Hollywoodschinken, dachte Barbarotti. Was aber nicht unbedingt ein Fehler sein muss.
»Da könnte was dran sein«, sagte er. »Also privates Brainstorming?«
»Man sollte sich das ein wenig systematisch denken«, warf Tallin ein.
»Wir gehen so vor«, erklärte Jonnerblad und beugte sich auf die Ellbogen gestützt über den ovalen Tisch vor, so dass Barbarotti seinen Atem riechen konnte. Kaffee und Eier, wenn er sich nicht irrte. Ein wenig Kaviar. »Du wirst von den übrigen Ermittlungen freigestellt. Du setzt dich in dein Büro … oder fährst nach Hause, wenn dir das lieber ist … und du gehst dann dein gesamtes Leben durch. Schreibst alle Leute auf, die du getroffen hast und die möglicherweise … ich sage möglicherweise … in der Lage sein könnten, auf so einen Wahnsinn zu kommen. Auf mindestens fünfzig Stück musst du kommen. Dann suchst du unter denen die zehn wahrscheinlichsten heraus, und dann gucken wir uns morgen beide Listen zusammen an. Der Schwerpunkt liegt natürlich auf deiner beruflichen Vergangenheit bei der Polizei.«
Das darf ja wohl nicht wahr sein, dachte Barbarotti. Er sagt … er sagt tatsächlich, ich soll nach Hause gehen, mich ins Bett legen und nachdenken. In der bezahlten Arbeitszeit. Einen ganzen Tag lang.
»Keine schlechte Idee«, sagte er und kam schnell auf die Beine. »Zumindest einen Versuch wert. Äh … dann bin ich also morgen wieder zurück, ja?«
»Wir können uns hier zur gleichen Zeit wieder treffen«, sagte Tallin.
Der Hauptkommissar lehnte sich zurück und sah zufrieden aus. »Dann ist es abgemacht«, sagte er.
»Auf alle Fälle«, nickte Barbarotti.
Hat er etwa geglaubt, ich würde mich dem Vorschlag widersetzen?, dachte er, als er auf dem Flur war. Ich habe ihn überschätzt.
Aber er konnte sich nicht aufs Bett legen und nachdenken. Nicht an so einem Tag, das merkte er, sobald er nach Hause gekommen war. Der Himmel sah zwar grau und bewölkt aus, vielleicht würde im Laufe des Nachmittags sogar der eine oder andere Regenschauer einsetzen, aber es war windstill, und die Temperatur lag um die zwanzig Grad.
Mit anderen Worten: eine Wetterlage, wie geschaffen für einen langen Spaziergang. Der schlaue Bulle packt die Gelegenheit beim Schopf – Barbarotti bewaffnete sich mit einer zusammengerollten Regenjacke, einem kleinen Rucksack, Wasser und Obst, Stift und Notizblock, dann fuhr er mit dem Auto zur Kymmensudde und machte sich auf den Weg zum nördlichen Strand von Kymme. Dort gab es ein Wirrwarr von Wanderwegen in einem
Weitere Kostenlose Bücher