Eine ganz andere Geschichte
mit ihren Kindern zusammen aßen. Wie sie einkaufen fuhren und Leute einluden. Zusammen Reisen planten und auf dem Sofa saßen und einen Film im Fernsehen anguckten.
Er versuchte Einwände zu finden. Würden sie sich gegenseitig auf die Nerven gehen, wenn es zu spät war, etwas zu ändern? Würde sie ihn nach zweieinhalb Monaten nicht mehr lieben? Was würde Sara dazu sagen? Was würde Eva Backman sagen, wenn er ihr erklärte, dass er sie mit Sorgsen und Asunander allein lassen wollte, um nach Skåne zu ziehen? War es überhaupt möglich, einen Job bei der Helsingborger Polizei zu bekommen?
Hatte er keine Angst vor diesem Schritt? Wenn man es genau betrachtete, dann hatte er trotz allem eine Sekunde gezögert, bevor er um sie gefreit hatte, und reden konnte man ja viel.
Verflucht noch mal, dachte Gunnar Barbarotti. Das ist der beste Entschluss, den ich seit fünfeinhalb Jahren getroffen habe.
Er versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, welche bedeutsamen Entscheidungen er in diesem Zeitabschnitt getroffen hatte, ihm fiel aber nicht eine einzige ein.
Höchstens die Reise nach Griechenland und Thasos.
Er sah auf die Uhr und beschloss, noch ein Stück weiterzugehen, bevor er wieder Richtung Stadt umkehrte. Man sollte in einem Wald wohnen, dachte er plötzlich. Einen Hund haben und jeden Tag zwei Stunden wandern. Was haben sie für Wälder um Helsingborg? Den Pålskjö-Wald, hieß da nicht einer so? Müssten jedenfalls Buchen sein. Warum nicht?
Er warf sich wieder den Rucksack über und schlug eine neue Seite in seinem Notizblock auf.
Eine halbe Stunde später hatte er fünfundfünfzig Namen beisammen. Sechsundvierzig Männer und nur neun Frauen. Zumindest ist man ein Gentleman, das ist offensichtlich, konstatierte Gunnar Barbarotti, man hat fast keine weiblichen Feinde.
Gleichzeitig spürte er, dass er keine Lust mehr hatte auf diese Katalogisierung. Wozu sollte sie gut sein? Bildeten sich Jonnerblad und Tallin tatsächlich ein, sie könnten den Namen des Mörders unter diesen Menschen finden, die er bei seinem Waldspaziergang mehr oder minder zufällig hingekritzelt hatte? Er konnte sich nicht daran erinnern, dass diese Methode beschrieben worden war, als er vor Urzeiten einmal Kriminologie studiert hatte. Nein, es waren nicht die Namen selbst, die lächerlich waren, dachte Barbarotti. Es war … ja es war tatsächlich das Profil selbst.
Was war das für ein Typ, mit dem sie es zu tun hatten? Welches Motiv hatte er? Hatte er überhaupt ein Motiv? Machte es Sinn, zu versuchen, ihn in logischen, rationalen Termen zu fassen?
Kurz gesagt: Gab es einen Grund?
Die Frage war Barbarotti natürlich immer wieder im Kopf herumgegangen, seit der Mord an Erik Bergman entdeckt worden war, aber er sah jetzt ein, hier draußen in dem traulich flüsternden, sauerstoffreichen und wohltemperierten Wald, dass er sich nie die Zeit genommen hatte, das Problem wirklich gewissenhaft zu betrachten.
Wie war das also? Sicher, wenn es ein irrationaler Wahnsinniger war, der Bergman und Eriksson getötet hatte, dann war es fast unmöglich zu spekulieren. Oder genauer gesagt, dann war es das Einzige, was man tut konnte. Spekulieren. Raten. Vielleicht wollte ein der artiger Täter unbewusst gefasst werden, genau wie Lillieskog es vorgeschlagen hatte, und dann würde er sich vermutlich früher oder später allzu großen Risiken aussetzen, verwegen und übermütig werden und sein Spiel mit der Polizei etwas zu weit treiben. An diesen Punkt würden sie kommen. Sie würden ihn ganz einfach fassen können, wenn sie auf seinen ersten Fehler warteten. Und hoffen, dass er bis dahin nicht zu vielen das Leben genommen hatte.
Aber wenn es sich nicht um einen irrationalen Wahnsinnigen handelte, wo befand man sich dann?, dachte Gunnar Barbarotti, während er den Vogelturm oben auf der Anhöhe von Vreten erreichte und dort anhielt, um das Wasser auszutrinken, das er noch hatte. Ja, wo befand man sich dann?
Bei einem Mörder, der gute Gründe hatte, sich genau so zu verhalten, wie er es tat? Der einen Plan und durchdachte Motive hatte, um die Menschen zu töten, die er zuvor in Briefen benannte, die er wiederum an Kriminalinspektor Gunnar Barbarotti von der Kymlinger Polizei schickte? Wie … wie genau sah ein derartiges Szenario eigentlich aus? Was um alles in der Welt war der Grund, sich so zu verhalten?
Er setzte sich auf einen moosbedeckten Stein und ließ die Frage im Raum hängen, ohne sie weiter bewusst zu zerpflücken – auf diese Weise
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