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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Einsen in allen Fächern, bis auf Sport, wo er sich mit einem Strich begnügte –, und ihm war eine glänzende akademische Karriere vorausgesagt worden. Rein menschlich betrachtet war er jedoch ein einsamer Wolf, es war schwer, an ihn heranzukommen, geknickt und verschroben wie er war. Barbarotti hatte während der Schulzeit nicht viel mit ihm zu tun gehabt, obwohl sie drei Jahre in die gleiche Klasse gegangen waren – aber er hatte ihn kennengelernt, als sie in Lund studierten.
    Wahrscheinlich wäre er ihm auch dort niemals näher gekommen, doch der Zufall wollte es, dass sie zusammenwohnten. Drei Jahre lang teilten sie sich eine Zweizimmerwohnung in der Prennegatan. Barbarotti studierte Jura, Wallman Linguistik. Und eine ganze Reihe von Sprachen. Latein und Griechisch natürlich als Grundlage, dann einige der slawischen, um schließlich beim Finnischen zu landen. Oder beim Finnisch-Ugrischen, genauer gesagt. Er promovierte schließlich mit einer vergleichenden Arbeit über äußere Lokalkasus im Wepsischen, Tscheremissischen und Wotjakischen, ein Werk, das bei Barbarotti zwar aufgeschnitten, aber nicht gelesen im Bücherregal stand.
    Zu der Zeit hatte er selbst bereits die Juristerei hinter sich. War auf die Polizeihochschule gewechselt und wurde Kriminalbeamter. Gründete eine Familie. Es war sicher nicht einfach, mit Wallman zusammenzuarbeiten, wie Barbarotti sich vorstellen konnte, eine Forscherseele, aber weiß Gott keine Lehrerseele. Und inzwischen hatte sich einiges im akademischen Sumpf verändert; während er früher dankenswerterweise als eine Schutzhülle und eine Art beschützender Werkstatt für introvertierte Begabungen fungiert hatte, hatte man Ende der 80er Jahre in Schweden zu fordern begonnen, dass auch hier unterrichtet werden sollte.
    Und das besonders, was die Sprachen betraf, von denen man annahm, dass sie eine Art von Kommunikationsmittel zwischen den Menschen darstellten.
    Hier war Wallman baden gegangen. Zwar bekam er einen Lektorenposten an der Universität von Kopenhagen, zog um nach Århus, dann nach Umeå, schließlich nach Uppsala, dann nach Åbo, und diese Seitenkarriere wurde von langfristigen Krankschreibungen und – wenn Barbarotti es richtig verstanden hatte – fortlaufenden Kontroversen mit Kollegen und Studenten sowie dem einen oder anderen Skandal begleitet. Wallman war während dieser Periode, also ungefähr von 1985 bis 2000, aus seinem Blickfeld verschwunden, und als sie durch reinen Zufall ein paar Wochen nach dem Jahrtausendwechsel wieder aufeinanderstießen, war das ehemalige Genie bereits aus der akademischen Maschinerie aussortiert und auf den Müllhaufen geworfen worden.
    Wie er sich selbst ausdrückte.
    Aber – wie er sich auch ausdrückte – das geschah diesen kleinkarierten Tintenklecksern nur recht. »Ich spreche einundzwanzig Sprachen fließend, und jetzt sind es nur Saarikoski und die kleinen Vögelchen, die das zu hören bekommen!«
    Saarikoski war Wallmans Hund, ein siebzig Kilo schwerer friedlicher Leonberger und laut Besitzer die Inkarnation des Poeten selbst. Und auf die kleinen Vögelchen stieß er, wenn er mit Saarikoski durch die Wälder um das Sommerhaus herumstreifte. Oder wenn er auf der heruntergekommenen Terrasse zum Meer hin saß, nachdachte und ein Bier trank.
    Oder etwas schrieb, wobei unklar war, was. Seit sie den Kontakt wieder aufgenommen hatten – irgendwie lief das parallel zu Barbarottis eigener Karriere als geschiedener Mann –, hatten sie sich zirka einmal im Jahr getroffen, insgesamt nicht mehr als vier- oder fünfmal, und es gab immer noch vieles, was an Axel Wallman unklar war.
    Er reagierte nicht auf den ersten Anruf, das tat er nie. Aber beim zweiten nahm er den Hörer ab. Ohne etwas zu sagen, das war auch so eine Regel – wenn jemand etwas von ihm wollte, dann musste offensichtlich der Betreffende den ersten Schachzug tun. Sich beispielsweise vorstellen.
    Was Gunnar Barbarotti auch tat.
    »Barbarotti hier. Kann mir vorstellen, dich zu besuchen. Ich hatte einen schrecklichen Morgen und bräuchte einen Nachmittag in intelligenter Gesellschaft.«
    »Ich werde Saarikoski fragen, ob er Zeit hat«, antwortete Axel Wall-man mürrisch.
    Offensichtlich hatte er das. Wallman erklärte, dass der Herr Kriminalbeamte willkommen sei, wenn er nicht zuviel Aufstand mache und etwas zu essen mitbringen würde.
    Barbarotti versprach, sich darum zu kümmern und in einer Stunde aufzutauchen.
    Das Grundstück um Axel Wallmans Sommerhaus sah

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