Eine ganz andere Geschichte
unterschiedlich bewertet, aber da keine der beiden Hypothesen auf etwas anderem als reiner Spekulation und Vermutungen basierte, konnte es auch gleich sein. Weitere Gespräche mit Verwandten und Bekannten des Paares waren noch am Abend und am nächsten Tag durchzuführen, früher oder später sollte das Bild sich also klären. Barbarotti selbst hatte am Telefon mit einer Halbschwester von Katarina Malmgren gesprochen und erfahren, dass es nicht ungewöhnlich war, dass sich das Paar irgendwo aufhielt und nicht erreichbar war. Für eine Woche oder ein paar Tage, es war die Rede von irgendeiner Art von Lebensstil, soweit er verstanden hatte. Einer Modernität. Obwohl sie das normalerweise in Mails und am Telefon anzukündigen pflegten, wie die Halbschwester bemerkte, aber ansonsten hatte sie keinen engeren Kontakt zu ihnen, es gab sieben Jahre Altersunterschied zwischen ihr und Katarina, und das Ehepaar war nicht ganz ihr Stil.
Barbarotti hatte diese Stilfragen nicht weiter vertieft, er hatte sich bedankt und darum gebeten, eventuell noch einmal von sich hören lassen zu dürfen. Hatte den nächsten Namen angerufen und noch weniger erfahren. Und dann den nächsten. Und den nächsten. Insgesamt hatte das Team – die entsprechenden Göteborger Kollegen mitgerechnet – mit mehr als hundert Personen innerhalb von vier Stunden gesprochen, viele von ihnen so locker mit dem Ehepaar Malmgren verbunden, dass man das Gefühl hatte, als suchte man Schneebälle in einer Wüste – um Astor Nilsson zu zitieren –, und das Resultat der Anstrengungen war, dass man gegen sieben Uhr mit einem Sammelsurium von Informationen dasaß, die zu nichts führten.
Das, was möglicherweise – in der besten aller Möglichkeiten – wertvoll sein konnte, verbarg sich jedenfalls sehr geschickt in dem Haufen. Ein Phänomen, das an und für sich nicht neu war im Umkreis von Ermittlungen, aber im Fall Malmgren trat es ungewöhnlich deutlich zutage.
Und vielleicht waren sie ja gar nicht das richtige Objekt. Vielleicht waren es Katarina Malmgren in Lycksele und Henrik Malmgren in Stockholm, die in einer nicht allzu weit entfernten Zukunft im Begrif fe standen, ihr irdisches Leben zu verlieren. Oder die es bereits getan hatten. Verdammte Scheiße, dachte Gunnar Barbarotti, wir armseligen Marionetten.
Du wirst mich doch wohl nicht daran hindern wollen?
So hatte es in der Epistel des Tages gestanden. Du, nicht Ihr. Immer noch wandte sich der Briefeschreiber direkt an ihn, an Kriminalinspektor Gunnar Barbarotti und niemanden sonst. Warum?
Warum, warum? Hatte er womöglich wirklich eine Art persönliche Verbindung zum Mörder, wie Jonnerblad vorschlug? Er hatte seine Liste über entsprechende mögliche Bekanntschaften aus der Vergangenheit um acht Namen erweitert, aber bei keinem hatte es geklingelt, und die Methode erschien immer sinnloser, je länger er darüber nachdachte.
Und was wollte er dieses Mal? Was war die Absicht des Briefeschreibers?
Die Meinung, zu der er und Backman neigten – vielleicht die anderen im Ermittlungsteam auch, aber er hatte es in erster Linie mit Back-man diskutiert – besagte, dass, wenn man es eiskalt betrachtete, alles schon gelaufen war. Sollte das Paar Malmgren ermordet werden, dann waren sie bereits ermordet worden. Traf man sie noch lebend an, dann bedeutete es wahrscheinlich, dass sie ziemlich gute Chancen hatten, ihr Leben auch zu behalten. In den beiden ersten Mordfällen, zumindest im zweiten, war der Brieftipp zu spät gekommen, als dass die Polizei überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, zu reagieren, und im Fall Hans Andersson hatte man überhaupt noch kein Opfer. Es erschien kaum vorstellbar, dass der Mörder sich daran machen würde, zwei Menschen zu töten, die unter lückenlosem Polizeischutz standen – und wenn er es dennoch tat, dann bedeutete es entweder, dass er total verrückt war oder dass er gefasst werden wollte. Oder beides zugleich.
Und in diesem Fall würde er bald hinter Schloss und Riegel stecken, und man könnte die Ermittlungen abschließen.
Aber man hatte das Ehepaar Malmgren nicht lebend gefunden, das war die Krux an der ganzen Sache. Vielleicht lagen sie irgendwo er mordet herum? Vielleicht saß der Mörder irgendwo sicher und zufrieden und wartete darauf, Teil der Nachrichten in den Morgenzeitungen am nächsten Tag zu sein?
Vielleicht treibt ihn allein das?, dachte Barbarotti mit einem Hauch von Resignation und bog auf den Hagendalsvägen ein. Konnte es so banal sein?
Auf
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