Eine geheimnisvolle Lady
wollte er sie verschlingen.
Sie leckte über ihre Lippen und genoss den nachhaltigen Geschmack. Noch nie war sie so geküsst worden. Und sie kannte niemanden, der so küssen konnte.
Noch immer zog er sie durch das Getümmel, so sicher, wie ein Kapitän über ein stürmisches Meer segelte, während sie wie ein Beiboot in seinem Kielwasser dahinschwankte. Wohin der rasante Fußmarsch führte, wusste sie nicht. Und es war ihr auch beinahe vollkommen egal, solange Ashcroft sie wieder umarmen und küssen würde.
Nicht nur küssen …
In dieser Nacht war die Luft im Freien nicht frischer als der stickige Dunst im Theater. Immer noch schweigend bugsierte Ashcroft sie weg von der Kutschenreihe, in eine dunkle Seitengasse. Der beißende Gestank fauligen Abfalls drehte ihr den Magen um, und sie taumelte.
Ohne darauf zu achten, drückte der Earl sie an eine feuchtkalte Ziegelmauer. Ein letzter Rest logischen Verstands drängte sie zu Protest gegen diese unsanfte Behandlung. Doch sie protestierte nicht, sondern schwelgte stattdessen in seiner Kraft, in seinem unbeugsamen Entschluss, sie zu besitzen.
Großer Gott, sie war ein hoffnungsloser Fall. Obwohl sie diesen Mann kaum kannte, geriet sie vollends in seinen Bann und wusste nicht, wie sie es verhindern sollte. Sie riss sich zusammen und wollte ihm Einhalt gebieten. Aber er hielt ihr entrüstet erhobenes Kinn für eine Einladung und presste seinen Mund auf ihren.
Feurige Hitze strömte bis zu ihren Zehen hinab. Schon der Kuss im Ballsaal war gierig gewesen. Jetzt erkannte sie, dass er sich vor dem vielköpfigen Publikum beherrscht hatte. Mit seiner heißen Zunge und den festen Lippen unterband er jeden Versuch einer Gegenwehr. Nicht dass sie ihm – wie sie sich beschämt eingestand – widerstanden hätte.
Sie rang nach Atem, versank in dem Kuss wie eine Ertrinkende in einem dunklen Ozean. In ihrem Körper schienen sich alle Knochen aufzulösen und nur noch himmlische Gefühle zu hinterlassen. So war sie jahrelang nicht berührt worden. Sie hatte vergessen, welche Macht die Hände eines leidenschaftlichen Mannes ausüben konnten.
Aus ihrem Gehirn flüchteten alle Gedanken, von reiner Lust verscheucht. Ashcroft schmeckte nach Nacht und Sünde und teuflischer Magie. Würde sie jemals genug von dieser köstlichen Mischung bekommen?
Zu ihrer Schande wimmerte sie enttäuscht, als er sich von ihr löste. Ein solcher Wüstling wusste natürlich, wie er sie gefügig machen konnte. Mühsam sog sie Luft in ihre ausgehungerten Lungen. Doch sie wollte keine Luft, nur weitere berauschende Küsse.
Benommen starrte sie sein Gesicht an, einen hellen Fleck in der Finsternis, und hörte leise, unregelmäßige Atemzüge. Obwohl sie es besser wusste und sich nicht einbildete, er wäre ebenso überwältigt wie sie, fühlte sie ein Zittern, als sie eine Hand auf seine Brust legte.
Also empfand er etwas.
Warum die Gewissheit, dass er für erotische Reize empfänglich war, etwas für sie bedeuten sollte, wusste sie nicht. Immerhin wurde sie von einem Mann aus Fleisch und Blut umfangen. Auf seinen Lippen hatte sie Sehnsucht gekostet, in seiner Umarmung Verzweiflung gespürt.
»Verdammt, ich muss dich sehen.« Sein heiserer Bariton perlte über ihre Haut, und ihre Knie wurden weich. Als er sie losließ, sank sie kraftlos an die Ziegelwand, ihre Beine fühlten sich wie Sirup an. Was war aus ihrem kaltherzig geschmiedeten Verführungsplan geworden?
Ohne eine Erlaubnis abzuwarten, zerrte er an den Schnüren der Maske und warf sie in den Schmutz. Mit beiden Händen umfasste er Dianas Gesicht.
»Und wenn ich in den Ballsaal zurückkehren will?«, fragte sie herausfordernd. Seine Aufmerksamkeit, die ihren Zügen galt, erschien ihr wie eine physische Berührung.
»Warum solltest du?« Er lachte wissend. »Du hast doch errungen, was du erbeuten wolltest.«
Diesmal küsste er sie noch fordernder, presste sie noch fester an sich. Der Druck seines Mundes entfachte ein Feuer, das acht Jahre lang nicht mehr in ihr gelodert hatte. Nach einem langen eisigen Winter tauten ihre Sinne endlich auf.
In ihrem Hinterkopf regte sich die Ahnung von Gefahr. Sie war keine Aristokratin, aber bisher eine respektable, tugendhafte Frau gewesen. Und Lord Ashcroft behandelte sie wie eine Dirne, die er in der Gosse aufgelesen hatte. Um sich zu amüsieren, hatte er sie in eine Seitengasse gezerrt. Und nun küsste er sie, als wäre es sein gutes Recht, sie herumzukommandieren.
Es gab noch andere, tückischere
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