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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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ragte ein paar Fuß herein. Auf dem Rost sah man ein Häufchen alter, federiger Holzasche. Es waren noch ein Schemel, ein Tisch und ein Strohbett vorhanden. In einer der vier geschwärzten Wände stak ein rostiger eiserner Ring.
    »Leuchtet mit der Fackel langsam an den Wänden herum, daß ich sie sehen kann«, sagte Defarge zu dem Schließer.
    Der Mann gehorchte, und Defarges Augen folgten aufmerksam dem Lichte.
    »Halt! – Schau her, Jacques.«
    »A.M.!« krächzte Jacques drei lesend.
    »Alexander Manette«, sagte ihm Defarge ins Ohr, während er mit dem vom Pulver geschwärzten und verbrannten Zeigefinger den Buchstaben folgte. »Und hier steht geschrieben: ›ein armer Arzt‹. Ohne Zweifel war auch er es, der hier in den Stein einen Kalender einritzte. Was hast du in der Hand? Ein Brecheisen? Gib es mir!«
    Er hatte noch den Zündstock seiner Kanone in der Hand; nachdem er ihn rasch gegen das andere Werkzeug ausgewechselt, machte er sich an den wurmstichigen Tisch und Schemel und schlug sie mit ein paar Streichen in Stücke. »Halt das Licht höher!« rief er zornig dem Schließer zu. »Untersuche diese Trümmer sorgfältig, Jacques! Und sieh, da hast du mein Messer«, er warf es ihm hin; »schlitz das Bett auf und visitiere das Stroh. Höher mit dem Licht, du!«
    Mit einem drohenden Blick auf den Schließer kletterte er auf den Rost, sah sich im Kamin um, klopfte mit seinem Brecheisen an dessen Wände und machte sich dann an das darüber angebrachte eiserne Gitter. Nach einigen Minuten löste sich stäubend der Mörtel ab, und er wandte sein Gesicht beiseite, um den niederfallenden Stücken auszuweichen; dann tastete er mit vorsichtiger Hand in dem Kamin umher, in der alten Holzasche und in einem Spalt des Kamins, in dem sein Werkzeug sich verfangen oder den es gerissen hatte.
    »Nichts in dem Holz und nichts in dem Stroh, Jacques?«
    »Nichts.«
    »So wollen wir's mitten in die Zelle auf einen Haufen schaffen. Gut. Jetzt zünd an, du!«
    Der Schließer steckte das Holzhäuflein in Brand, das bald
hoch und heiß aufloderte. Dann schlüpften sie wieder gebückt durch die niedere Türwölbung, ließen es hinter sich brennen und kehrten auf den Hof zurück. Auf dem Wege dahin schien sich allmählich ihr Gehör wieder zu schärfen, bis sie sich aufs neue in dem tobenden Wellenspiel befanden.
    Dort kochte und brandete es, um Defarge zu suchen. Saint Antoine wollte durchaus seinen Weinwirt an der Spitze der Wache über den Gouverneur sehen, der die Bastille verteidigt und auf das Volk geschossen hatte. Es war sonst zu befürchten, dieser möchte nicht an das Stadthaus zum Gericht abgeliefert werden, sondern könnte entkommen und das Blut des Volkes, das nach so vielen Jahren der Mißachtung plötzlich einigen Wert gewann, ungerächt bleiben.
    In dem heulenden Knäuel von Kampf und Leidenschaft um den verabscheuten Offizier her, der sich durch seinen grauen Rock und die roten Aufschläge auszeichnete, befand sich nur eine einzige feststehende Figur, und zwar die eines Weibes. »Seht, da ist mein Mann!« rief sie, auf ihn hindeutend. »Da ist Defarge!« Sie trat auf den schrecklichen alten Offizier zu und hielt sich beharrlich an seiner Seite, während Defarge und die übrigen ihn durch die Straßen schleppten. Sie wich nicht von ihm, als er in die Nähe seines Bestimmungsortes kam und ein schwerer Regen von Hieben und Stichen gegen ihn losbrach, und war ihm, als er endlich tot niedersank, so nah, daß sie, die nun plötzlich Leben zeigte, ihren Fuß auf seinen Nacken setzen und ihm mit dem lange bereitgehaltenen Schlachtmesser den Kopf vom Rumpfe trennen konnte.
    Die Stunde war da, in der Saint Antoine seinen schrecklichen Gedanken, statt der Laternen Menschen aufzuziehen, auszuführen gedachte, um zu zeigen, was er sein und tun konnte. Saint Antoines Blut ging hoch, während das der Tyrannei und des Herrschens mit der eisernen Hand drunten war, drun
ten auf den Stufen des Stadthauses, wo der Leichnam des Gouverneurs lag, drunten an der Schuhsohle der Madame Defarge, als sie auf den Körper trat, um für die Verstümmelung festen Halt zu gewinnen. »Herunter mit der Laterne dort!« rief Saint Antoine, der mit blutgierigen Blicken sich nach neuen Todeswerkzeugen umsah. »Da ist einer von seinen Soldaten; er soll Wache bei ihm halten!« Der Posten ward in die Luft hinaufgezogen, und die See rauschte weiter.
    Eine See schwarzen, drohenden Wassers, die zerstörend Welle gegen Welle schleuderte, unergründet in ihren

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