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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Schlimmsten des Tages gewesen waren, spielten sanft mit ihren abgezehrten Kindern, und Liebende liebten und hofften trotz einer Welt wie der um sie her.
    Es war fast Morgen, als Defarges Weinschenke ihre letzten Kunden entließ, und Monsieur Defarge sagte, als er die Tür schloß, in heiserem Tone zu Madame:
    »Endlich ist es gekommen, meine Liebe!«
    »Nun ja«, entgegnete Madame, »beinahe.«
    Saint Antoine schlief, die Defarges schliefen, und sogar die Rache schlief mit ihrem verhungerten Krämer, und die Trommel hatte Ruhe. Die Stimme der Trommel war die einzige in Saint Antoine, die durch Blut und Schrecken nicht verändert worden war. Die Rache als Hüterin der Trommel konnte sie wecken, und sie klang dann wieder wie zu der Zeit, ehe die Bastille fiel oder der alte Foulon ergriffen wurde; nicht so war es mit den heiseren Tönen der Männer und Weiber im Schoße von Saint Antoine.
    Dreiundzwanzigstes Kapitel
    Feuer
    Es war anders geworden in dem Dorfe, wo der Brunnen plätscherte und wo der Straßenarbeiter täglich ausging, um aus den Steinen der Landstraße die Bissen Brot zu klopfen, die ihm als Flicken dienen mußten, um seine arme unwissende Seele und seinen armen ausgemergelten Leib zusammenzuhalten. Das Gefängnis auf dem Felsen war nicht mehr so mächtig wie früher; es hatte zwar noch eine Wache von Soldaten, aber nur eine kleine. Auch waren Offiziere vorhanden, um die Soldaten zu bewachen; aber keiner von ihnen wußte, was seine Leute tun würden, nur etwa so viel, daß es wahrscheinlich das Gegenteil von seinen Befehlen sein dürfte.
    Weit und breit lag ein zugrunde gerichtetes Land, auf dem
man nichts sah als Verödung. Jedes grüne Laub, jeder Gras- oder Getreidehalm nahm sich so dürftig und mager aus wie die unglückliche Bevölkerung. Alles war gebeugt, niedergeschlagen, gedrückt und gebrochen. Wohnungen, Zäune, Haustiere, Männer, Weiber, Kinder und der Boden, der sie trug – alles verkommen.
    Monseigneur (oft als Individuum eine höchst würdige Person) war ein Segen für die Nation, gab den Dingen einen ritterlichen Ton, ging mit dem Beispiel eines üppigen, prunkvollen Lebens voran und zeichnete sich überhaupt durch Unternehmungen in diesem Sinne aus; dennoch hatte Monseigneur als Klasse, wie's nun einmal kommen sollte, die Sachen so weit gebracht. Seltsam, daß die ausdrücklich für Monseigneur bestimmte Schöpfung so bald kahl und ausgepreßt war. Es mußte wahrhaftig eine große Kurzsichtigkeit bei den ewigen Ordnungen walten. Aber es war einmal so, und nachdem den Steinen der letzte Blutstropfen entlockt und die letzte Schraube der Maschine so abgenutzt war, daß sie in ewigem Umgang sich drehte, ohne etwas fassen zu können, begann Monseigneur fortzulaufen vor einer so gemeinen und unerklärlichen Entscheidung.
    Aber dies war nicht die Veränderung im Dorfe und in so vielen Dörfern, die wir meinen. Menschenalter um Menschenalter hatte Monseigneur es zwar gequetscht und ausgesaugt und selten anders mit der Ehre seiner Gegenwart begnadet als wegen des Jagdvergnügens, wobei er bald Menschen, bald Tiere jagte, die zu hegen Monseigneur erbauliche Bezirke barbarischer und unfruchtbarer Wildnis anlegte. Aber das war's nicht. Der Wechsel bestand nicht so sehr in dem Verschwinden der hohen Kaste, der klassischen und auch sonst beglückten und beglückenden Züge von Monseigneur, sondern vielmehr in dem Auftreten fremder, einer niedrigen Kaste angehörenden Gesichter.
    Denn als um jene Zeit der Steinklopfer einsam im Straßenstaub arbeitete, ohne sich mit der Betrachtung zu bemühen, daß auch er selbst Staub war und wieder Staub werden würde, denn er mußte meist viel zu sehr daran denken, wie wenig er zu essen hatte und wieviel mehr er essen könnte, wenn er es hätte – ich sage, als er um jene Zeit die Augen von seiner Arbeit aufschlug und die Aussicht betrachtete, sah er eine rauhe Gestalt einherkommen, dergleichen sonst eine Seltenheit, neuerdings aber eine häufige Erscheinung in jener Gegend war. Beim Näherkommen konnte er in dem Fremden einen langen zottelhaarigen Mann von fast barbarischem Aussehen erkennen, dessen rauhe, schwarze, von dem Kot und Staub vieler Straßen borkig und von der sumpfigen Nässe vieler Moorgründe feucht gewordene Holzschuhe mit den sie besprenkelnden Dornen, Blättern und Moosen von vielen Waldwegen selbst dem Steinklopfer zu plump vorkamen.
    Dieser Mann kam an einem Mittag im Juli wie ein Gespenst auf ihn zu, während er auf einem seiner Steinhaufen

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