Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
Namen.
    Sein Entschluß war gefaßt. Er mußte nach Paris.
    Ja. Der Magnetfelsen machte seinen Einfluß geltend; er mußte auf ihn zusegeln, bis er auf dem Strande saß. Allerdings dachte er nicht an eine Klippe und kaum an eine Gefahr. Die Absicht dessen, was er getan, obwohl er es nur halb getan hatte, erschien ihm in so günstigem Licht, daß Frankreich sie dankbar anerkennen mußte, wenn er dort erschien und sie erklärte. Dann tauchten Gesichte von wohltätigem Wirken, die Fata Morgana so vieler sanguinischer edler Gemüter, vor ihm auf, und er sah in sich schon den Mann, der Einfluß gewann, um die tobende Revolution zu leiten, die einen so fürchterlich schnellen Gang nahm.
    Während er unter solchen Gedanken auf und ab ging, erschien es ihm auch zweckmäßig, daß weder Lucie noch ihr Vater von seinem Entschluß etwas erführen, bis er fort war. Lucie wurde dadurch der Schmerz der Trennung erspart, und ihr Vater, der nie an den gefährlichen früheren Boden zurückdenken mochte, erfuhr dann von dem Schritte als von etwas Geschehenem und brauchte somit nicht zwischen Ungewißheit und Zweifel zu schweben. Wieviel von der Halbheit seiner Lage eben auf Rechnung des alten Doktors kam, weil er in dessen Geiste keine schmerzlichen Erinnerungen an Frankreich wachrufen wollte, mochte er nicht weiter in Betracht ziehen, obschon auch dieser Umstand Einfluß auf sein Verhalten geübt hatte.
    So ging er gedankenvoll hin und her, bis es Zeit war, zu Tellsons zurückzukehren und sich von Mr. Lorry zu verabschieden. Sobald er in Paris anlangte, wollte er diesen alten Freund wieder aufsuchen, vorläufig aber auch gegen ihn von seinem Vorhaben schweigen.
    Vor der Tür des Bankhauses stand ein Wagen mit Postpferden bereit und Jerry gestiefelt und in Reisekleidung daneben.
    »Ich habe jenen Brief abgeliefert«, sagte Charles Darnay zu Mr. Lorry. »Ich wollte nicht darauf eingehen, daß Euch eine schriftliche Antwort mitgegeben werde; aber vielleicht richtet Ihr eine mündliche aus?«
    »Recht gern, wenn es nicht gefährlich ist«, antwortete Mr. Lorry.
    »Durchaus nicht, obschon sie einem Gefangenen in dem Abteigefängnis gilt.«
    »Wie heißt er?« fragte Mr. Lorry, das Taschenbuch öffnend, das er in der Hand hielt.
    »Gabelle.«
    »Gabelle. Und was soll ich diesem unglücklichen Gabelle im Gefängnis sagen?«
    »Einfach, ›er habe den Brief erhalten und werde kommen‹.«
    »Keine Zeit genannt?«
    »Er will morgen abend die Reise antreten.«
    »Kein Name?«
    »Nein.«
    Er half Mr. Lorry sich in etliche Röcke und Mäntel hüllen und trat mit ihm aus den warmen Räumen der alten Bank in die neblige Luft der Fleetstraße hinaus. »Meine Grüße an Lucie und die kleine Lucie«, sagte Mr. Lorry beim Abschied, »und nehmt mir sie fein in acht, bis ich zurückkomme.« Charles Darnay schüttelte zweifelnd den Kopf und lächelte, als der Wagen dahinrollte.
    In derselben Nacht – es war die des vierzehnten August – saß er noch spät an seinem Pult und schrieb zwei glühende Briefe. In dem einen setzte er Lucie auseinander, welche heilige Pflicht ihn nach Paris rufe und welche guten Gründe er habe, bei dem Unternehmen keine Gefährdung seiner Person zu befürchten; dem Doktor dagegen empfahl er Weib und Kind zu liebevoller Fürsorge, indem er ihm zugleich in Beziehung auf sich dieselben tröstlichen Versicherungen gab; in beiden Briefen aber sagte er, er werde unmittelbar nach seiner Ankunft in Paris schreiben, um sie darüber zu beruhigen, daß er in Sicherheit sei.
    Es war ein schwerer Tag für ihn, der erste Tag, an dem er unter ihnen weilte mit einem Geheimnis auf seiner Seele, und es wurde ihm schwer, den ahnungslosen Wesen gegenüber die wohlgemeinte Täuschung durchzuführen. Doch ein liebevoller Blick auf seine Gattin, die so glücklich und emsig war, kräftigte seinen Entschluß, ihr zu verschweigen, was ihr bevorstand – er war in allen seinen Handlungen so sehr an ihre ruhige Beihilfe gewöhnt, daß er es kaum verwinden konnte, diese jetzt entbehren zu sollen –, und der Tag entschwand rasch. Früh am Abend umarmte er sie und sein ihm nicht weniger teures Töchterlein, schützte eine Bestellung vor, von der er bald wieder zurückkommen werde, nahm heimlich seinen mit Kleidern gefüllten Reisesack unter den Mantel und trat in den schweren Straßennebel mit noch schwererem Herzen hinaus.
    Die unsichtbare Gewalt hatte ihn schon in ihrem Bereich, und Flut und Winde wirkten zusammen, um ihn rasch und schnurstracks nach

Weitere Kostenlose Bücher