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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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auch den Gänserich haben. Und da ist dann Mrs. Cruncher oder war's wenigstens in England drüben und wird's morgen wieder sein, wenn sich Gelegenheit dazu gibt – die verwünscht das Geschäft, daß es ruiniert ist, rein ruiniert. Die Weiber der Medizindoktors aber tun das nicht – fällt ihnen nicht ein, oder wenn sie's tun, so beten sie um Patienten, und wie kann man das eine haben ohne das andere? Dann sind wieder die Leichenbestatter, die Kirchspielküster, die Privatwächter, lauter habsüchtiges Volk, die sich auch damit zu schaffen machen; was kann ein armer Schelm dabei gewinnen, wenn's auch so wäre? Was ein geringer Mann da erwirbt, reicht doch nicht weit bei ihm, Mr. Lorry; er bringt es zu nichts damit, und er möchte wohl wieder aus der Geschichte sein, wenn er nur, einmal drin, einen Ausweg sehen könnte … wenn's so wäre.«
    »Pfui!« rief Mr. Lorry, aber gleichwohl in etwas milderer Stimmung. »Euer Anblick ist mir ein Greuel.«
    »Na, ich möcht Euch wohl einen bescheidenen Vorschlag machen, Sir«, fuhr Mr. Cruncher fort, »für den Fall, daß es so wäre, obwohl ich's nicht zugestehe …«
    »Keine Verdrehung!« sagte Mr. Lorry.
    »Nein, gewiß nicht«, entgegnete Mr. Cruncher, als sei ihm nie etwas dieser Art in den Sinn gekommen, »obwohl ich's nicht zugestehe, so möcht ich an Euch eine demütige Bitte richten. Auf jenem Stuhl am Tor von Temple Bar sitzt mein Junge, dazu erzogen, ein Mann zu werden, der Euch Botengänge tut und Aufträge besorgt, bis er, wenn Ihr's befehlt, sich die Füße abgelaufen hat. Wenn es so wäre – obwohl ich nicht sage, daß es so ist, denn ich will vor Euch nichts verdrehen, Sir –, so laßt dem Jungen seines Vaters Platz, daß er für seine Mutter sorgen kann. Straft nicht im Sohn den Vater – tut das nicht –, sondern erlaubt, daß der Vater sich dem Geschäft eines ordentlichen Totengräbers widme und das Ausgraben – von Toten, wenn er's getan hat – wieder gutmache durch freiwilliges Eingraben mit der guten Absicht, sie künftig in Sicherheit zu bewahren. Das ist's, Mr. Lorry«, sagte Mr. Cruncher, indem er sich die Stirn mit dem Ärmel abwischte zum Zeichen, daß er bei dem Schluß seiner Rede angelangt war, »worum ich Euch achtungsvoll gebeten haben möchte. Du mein Himmel, wenn man sieht, wie schrecklich es hier zugeht und wie das Köpfen kein Ende nimmt, so daß das Geschäft nicht einmal den Trägerlohn einbringt, so kommen einem wohl ernste Gedanken über die Sache. Und so möcht ich, wenn es so wäre, Euch bitten, dessen eingedenk zu sein, was ich eben gesagt habe, und auch nicht zu vergessen, daß ich in bester Absicht gesprochen habe, während ich recht wohl hätte schweigen können.«
    »In dieser Beziehung wenigstens habt Ihr recht«, sagte Mr. Lorry. »Drum nichts mehr davon. Möglich, daß ich doch Euer guter Freund bleibe, vorausgesetzt, daß Ihr durch die Tat, nicht
bloß in Worten Eure Reue an den Tag legt. Des Geschwätzes ist jetzt genug.«
    Mr. Cruncher rieb sich eben mit den Knöcheln die Stirn, als Sydney Carton mit dem Spion aus der Nebenstube wieder zurückkam.
    »Adieu, Mr. Barsad«, sagte Carton. »Wenn Ihr es so einrichtet, habt Ihr von mir nichts zu fürchten.«
    Er nahm dann, Mr. Lorry gegenüber, seinen Sitz am Herd ein. Sobald sie allein waren, fragte ihn Mr. Lorry, was er ausgerichtet habe.
    »Nicht viel«, versetzte Carton. »Doch habe ich mir für den Fall, daß es schlimm gehen sollte, zu dem Gefangenen den Zutritt gesichert.« Mr. Lorry machte ein langes Gesicht.
    »Es ist alles, was ich auswirken konnte«, fuhr Carton fort. »Eine zu große Zumutung würde den Kopf des Mannes unters Beil bringen, und er hat recht, wenn er sagt, daß er bei einer Denunziation nichts Schlimmeres zu erwarten hätte. Das war mein schwächster Punkt. Es läßt sich nicht ändern.«
    »Aber wenn es vor dem Tribunal schlimm ausgeht, so wird Euer Zutritt Charles nicht retten«, sagte Mr. Lorry.
    »Ich habe das auch nicht behauptet.«
    Mr. Lorry senkte den Blick und sah ins Feuer; die Teilnahme für seinen Liebling und der schwere Schlag dieser zweiten Verhaftung hatten seine Augen allmählich geschwächt. Er war jetzt ein alter Mann, erschöpft von den Ängsten der letzten Zeit, und seine Tränen wollten sich nicht mehr zurückhalten lassen.
    »Ihr seid ein wackerer Mann und ein treuer Freund«, sagte Carton in verändertem Tone. »Entschuldigt, daß ich von Eurer Bewegung Notiz nehme. Ich könnte nicht gleichgültig dasitzen, wenn ich

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