Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
sagte der Spion.
    »Nein. Ausländer!« rief Carton, mit der offenen Hand auf den Tisch schlagend; denn es war ihm ein Licht aufgegangen. »Cly! Verkleidet zwar, aber kein anderer Mensch. Wir hatten ihn auch in Old Bailey vor uns.«
    »Ihr seid zu vorschnell, Sir«, sagte Barsad mit einem Lächeln, das seiner Adlernase eine Extraneigung nach der Seite hin verlieh. »Ihr gebt mir hier in der Tat einen Vorteil über Euch. Ich will gern zugeben, daß vor langer Zeit Cly mit mir arbeitete; aber er ist schon seit mehreren Jahren tot. Ich pflegte ihn während seiner letzten Krankheit, und er wurde in London auf dem Sankt-Pankraz-Kirchhof begraben. Er war damals bei dem Pöbel sehr unbeliebt, und das hinderte mich, an seiner Beisetzung teilzunehmen; aber ich habe seine irdischen Überreste in den Sarg legen helfen.«
    Mr. Lorry bemerkte jetzt von der Stelle aus, wo er saß, einen höchst merkwürdigen koboldartigen Schatten an der Wand; er verfolgte ihn bis zu seinem Ursprung und entdeckte, daß er von einem plötzlichen außerordentlichen Sträuben und Stacheln all des gesträubten und stacheligen Haares auf Mr. Crunchers Kopf herrührte.
    »Laßt uns vernünftig sein und ein ehrliches Spiel spielen«, sagte der Spion. »Um Euch zu zeigen, wie sehr Ihr Euch täuscht und wie unbegründet Eure Vermutung ist, sollt Ihr von einem Zeugnis über Clys Begräbnis, das ich zufällig seitdem in meinem Taschenbuch bei mir führe, Augenschein nehmen.« Er lang
te es hastig heraus und öffnete es: »Hier ist es. Da, überzeugt Euch. Ihr könnt es in die Hand nehmen; es ist kein gefälschtes Papier.«
    Mr. Lorry sah jetzt, wie der Schatten an der Wand sich verlängerte und Mr. Cruncher, der sich erhoben hatte, vorwärts trat. Ohne von dem Spion bemerkt zu werden, trat Mr. Cruncher an seine Seite und faßte ihn an der Schulter wie ein gespenstischer Polizeidiener.
    »Das war also der Roger Cly, Meister«, sagte Mr. Cruncher mit einer finsteren Miene, »und Ihr selbst habt ihm in den Sarg geholfen?«
    »Ja.«
    »Und wer nahm ihn wieder heraus?«
    Barsad lehnte sich in seinem Stuhle zurück und stotterte:
    »Was meint Ihr damit?«
    »Ich meine, daß er nie drin war«, sagte Mr. Cruncher. »Nein, gewiß nicht. Ich lasse mir den Kopf abhauen, wenn damals der Cly begraben wurde.«
    Der Spion sah sich nach den beiden Gentlemen um, die ihrerseits mit sprachlosem Staunen zu Jerry hin blickten.
    »Ich will Euch sagen«, fuhr Jerry fort, »daß sich in jenem Sarg nur Erde und Pflastersteine befanden. Und Ihr geht her und wollt mir weismachen, Ihr hättet den Cly begraben. Der helle Betrug! Ich und noch zwei wissen das wohl.«
    »Wie könnt Ihr das wissen?«
    »Was geht's Euch an? Sackerloter«, brummte Mr. Cruncher, »Ihr habt noch etwas gut bei mir für Eure schamlose Prellerei an ehrlichen Geschäftsleuten. Soll ich ihn am Kragen packen und tüchtig durchschütteln?«
    Sydney, den ebenso wie auch Mr. Lorry der Gang der Dinge in großes Staunen versetzte, forderte jetzt Mr. Cruncher auf, sich zu mäßigen und eine Erklärung zu geben. »Ein andermal,
Sir«, versetzte Jerry ausweichend; »die Zeit ist nicht mehr recht passend zu Erklärungen. Aber dabei bleib ich: Er weiß sehr wohl, daß nie ein Cly in jenem Sarge gewesen ist. Wenn er es nur mit einem Wort, mit einer Silbe leugnet, so pack ich ihn am Halse und würg ihn, daß er's gern besser hätt.«
    »Hm, soviel ist mir jetzt klar, daß ich noch eine Karte habe, Mr. Barsad«, sagte Carton. »Hier in dem tobenden Strudel von Paris, wo die ganze Luft von Argwohn erfüllt ist, bricht es Euch unfehlbar den Hals, wenn man zur Anzeige bringt, daß Ihr Verkehr unterhaltet mit einem andern aristokratischen Spion und alten Kameraden, an dem noch das Geheimnis haftet, daß er sich begraben ließ und wieder lebendig wurde. Ein Komplott in den Gefängnissen gegen die Republik, von den Ausländern angezettelt. Eine starke Karte – eine sichere Guillotinekarte! Spielt Ihr?«
    »Nein«, entgegnete der Spion; »ich gebe auf. Ich gestehe, wir waren bei dem wütenden Pöbel so verhaßt, daß ich aus England nur fortkam unter Gefahr, ertränkt zu werden, und daß man Cly in einer Weise auf die Nähte ging, die ihm jedes Entkommen unmöglich machte, wenn er nicht zu dieser Täuschung seine Zuflucht genommen hätte. Wie aber dieser Mensch hinter den Trug kommen konnte, das ist mir rein unbegreiflich.«
    »Macht Euch keine Sorge um diesen Menschen«, entgegnete der streitsüchtige Mr. Cruncher; »Ihr werdet genug

Weitere Kostenlose Bücher