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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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als geheimer Agent herumgetrieben, daß er von der wachsamen Polizei über alle Hauptpunkte von Doktor Manettes Verhaftung, Befreiung und Geschichte unterrichtet worden, um sich familiär bei den Defarges einführen zu können, daß er bei Madame Defarge damit anzukommen versucht und daß er bei dieser Gelegenheit eine bedeutende Abfuhr erlitten hatte. Auch erinnerte er sich stets mit Furcht und Zittern, daß jenes schreckliche Weib strickte, als er mit ihr sprach, und daß sie, während ihre Finger sich eifrig bewegten, unheimliche Blicke nach ihm hinschießen ließ. Er hatte sie seitdem oft gesehen, wie sie in der Sektion von Saint An
toine ihre gestrickten Register hervorzog und Leute denunzierte, deren Leben dann sicher der Guillotine verfallen war. Wie jeder in Diensten nach Art der seinigen konnte er sich keinen Augenblick sicher fühlen; er wußte, daß er an eine Flucht nicht denken durfte, daß er unter dem Schatten des Fallbeils festgebunden war und daß trotz dem schnöden Eifer, mit dem er die Herrschaft des Schreckens zu fördern sich mühte, ein Wort ihn niederwerfen konnte. Einmal angeklagt, und zwar auf so ernste Punkte hin, wie sie ihm eben vorgehalten worden, sah er voraus, daß jenes schreckliche Weib, von deren unversöhnlichem Charakter er so viele Proben hatte, das verhängnisvolle Register gegen ihn hervorziehen und damit seine letzte Aussicht vernichten werde. Abgesehen davon, daß Spione stets in Angst leben, waren hier in der Tat genug schlechte Karten, um dem Spieler bei ihrer Musterung das Gesicht leichenfahl zu färben.
    »Eure Karten scheinen Euch nicht recht zu gefallen«, sagte Sydney mit der größten Fassung. »Spielt Ihr?«
    »Ich denke, Sir«, versetzte der Spion, mit kecker Gemeinheit sich an Mr. Lorry wendend, »ich darf wohl an einen Gentleman von Euren Jahren und Eurem wohlwollenden Charakter die Bitte richten, daß Ihr diesem anderen Gentleman, der soviel jünger ist, klarmacht, wie wenig es sich unter was immer für Umständen mit seiner Ehre verträgt, das besprochene As auszuspielen. Ich gebe zu, daß ich ein Spion bin und daß diese Stellung als eine verächtliche angesehen wird; aber man braucht Leute, die sich dazu hergeben. Dieser Gentleman dagegen ist kein Spion; warum will er sich also so sehr erniedrigen und einen aus sich machen?«
    »Ich spiele ohne Bedenken mein As aus, Mr. Barsad«, ergriff Carton das Wort, indem er auf seine Uhr sah, »und zwar schon in einigen Minuten.«
    »Ich hätte gehofft, meine Herren«, sagte der Spion, der ständig bemüht war, Mr. Lorry in das Gespräch zu ziehen, »daß Eure Achtung vor meiner Schwester …«
    »Meine Achtung vor Eurer Schwester kann ich am besten damit betätigen, daß ich sie für alle Zeiten von ihrem Bruder befreie«, sagte Sydney Carton.
    »Das ist doch nicht Euer Ernst, Sir?«
    »Ich bin fest entschlossen.«
    Das geschmeidige Wesen des Spions, das in so merkwürdigem Widerspruch zu dem zur Schau gestellten groben Anzug und wahrscheinlich auch zu seinem gewöhnlichen Benehmen stand, erlitt durch die Undurchdringlichkeit Cartons, die wohl auch weiseren und ehrlicheren Leuten, als er war, geheimnisvoll imponieren konnte, einen solchen Stoß, daß es ihn nachgerade im Stiche ließ. Während er verlegen dastand, fing Carton in dem alten Tone des Kartenspielers wieder an:
    »Und in der Tat, wenn ich's recht überlege, so kommt es mir vor, als habe ich da eine weitere Karte, die ich noch nicht aufgezählt habe. Jener Freund, jenes Gefängnisschaf, das sich damit brüstete, daß er in den Kerkern des Landes seine Weide finde – wer war das?«
    »Ein Franzose. Ihr kennt ihn nicht«, versetzte der Spion hastig.
    »Was, ein Franzose?« entgegnete Carton nachdenklich und dem Anschein nach kaum auf den Sprecher achtend, obschon er dessen Worte wiederholt hatte. »Na, mag sein.«
    »Ich versichere Euch, es ist so«, bekräftigte der Spion, »wiewohl die Sache nicht von Belang ist.«
    »Wiewohl sie nicht von Belang ist«, sagte Carton in derselben mechanischen Weise – »wiewohl sie nicht von Belang ist. – Nein; 's liegt nichts daran. Nein. Und doch ist mir das Gesicht bekannt.«
    »Ich glaube kaum. Gewiß, Ihr irrt; es kann nicht sein«, versetzte der Spion.
    »Es – kann – nicht sein«, murmelte Sydney Carton, indem er seinem Gedächtnis durch ein frisches Glas, das zum Glück nicht groß war, nachzuhelfen suchte. »Kann – nicht sein. Sprach gut Französisch. Aber wie ein Ausländer, wie?«
    »Aus der Provinz«,

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