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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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zu tun haben, wenn Ihr jenem Gentleman Eure Aufmerksamkeit widmet. Und wenn dies nicht ausreicht, so könnt Ihr meine Faust zu kosten kriegen.« Mr. Cruncher ließ sich's nicht wehren, die Freigebigkeit, mit der er den anderen zu bedenken Lust hatte, recht deutlich zur Schau zu stellen.
    Das Gefängnisschaf wandte sich von ihm ab und an Sydney Carton, zu dem er mit mehr Entschiedenheit sagte:
    »Nachdem wir so weit sind, muß ich Euch erklären, daß ich
gleich meinen Dienst anzutreten habe und nicht mehr lange ausbleiben darf. Ihr habt von einem Vorschlag gesprochen; worin besteht er? Es ist nutzlos, zuviel von mir zu verlangen. Wenn Ihr mir zumutet, in meiner dienstlichen Eigenschaft meinen Kopf unter das Beil zu legen, so laß ich's lieber auf die Folgen einer Weigerung als einer Einwilligung ankommen. Kurz, ich will eine Wahl haben. Ihr sprecht von Verzweiflung. Wir sind hier lauter Verzweifelte. Vergeßt nicht, daß auch ich Euch denunzieren kann, wenn ich es für passend halte; und dann gelingt's mir vielleicht so gut wie irgendeinem, mir einen Weg durch steinerne Mauern zu schwören. Sprecht, was wollt Ihr von mir?«
    »Nicht sehr viel. Ihr seid ein Gefangenenwärter in der Conciergerie?«
    »Ich sage Euch ein für allemal, daß eine Flucht nicht in den Bereich des Möglichen gehört«, sagte der Spion mit Festigkeit.
    »Wozu braucht Ihr mir etwas zu sagen, wonach ich nicht gefragt habe? Ihr seid ein Schließer in der Conciergerie?«
    »Bisweilen.«
    »Aber Ihr könnt es sein, wenn Ihr wollt?«
    »Ich kann ein und aus gehen, wie es mir gutdünkt.«
    Sydney füllte das Glas wieder mit Branntwein, goß es langsam in den Kamin aus und sah zu, wie die letzten Tropfen fielen. Dann stand er auf und sagte:
    »So weit haben wir vor diesen beiden verhandelt; denn ich hielt es für nützlich, daß nicht bloß wir zwei von der Stärke unserer Karten Kenntnis nahmen. Kommt mit in das dunkle Stübchen hier; wir können da allein das letzte Wort miteinander sprechen.«
    Neuntes Kapitel
    Das Spiel ist gemacht
    Während Sydney Carton und das Gefängnisschaf im anstoßenden Stübchen sich so leise miteinander besprachen, daß keine Silbe von ihnen gehört wurde, betrachtete Mr. Lorry seinen dienstbaren Landsmann mit der Miene großen Zweifels und Mißtrauens. Die Art, wie der ehrliche Geschäftsmann die Musterung seines Dienstherrn aufnahm, flößte kein Vertrauen ein; er wechselte das Bein, auf dem er stand, so oft, als hätte er fünfzig solche Glieder und wolle alle der Reihe nach probieren; dann betrachtete er mit einer sehr verdächtigen Aufmerksamkeit seine Fingernägel, und sooft sein Blick dem des Mr. Lorry begegnete, wurde er von jenem eigentümlichen kurzen Husten befallen, der des Vorhaltens einer hohlen Hand bedarf und selten oder nie als das Gebresten eines vollkommen offenen Charakters gefunden wird.
    »Jerry«, sagte Mr. Lorry, »kommt mal her!«
    Mr. Cruncher entsprach der Aufforderung ein wenig schief, die eine Schulter voran.
    »Was habt Ihr außer dem Botendienst sonst noch getrieben?«
    Nach einigem Besinnen, wobei Mr. Cruncher seinen Schutzherrn bedenklich ansah, kam ihm der lichtvolle Gedanke, zu antworten:
    »Ackerbau.«
    »Ich fürchte, ich fürchte«, sagte Lorry, streng den Zeigefinger gegen ihn schüttelnd, »daß Ihr das achtbare und große Haus Tellsons nur als Aushängeschild gebraucht und nebenher ein unerlaubtes, schimpfliches Gewerbe betrieben habt. Ist dies der Fall, so erwartet nicht, daß wir gute Freunde bleiben, wenn wir nach England zurückkommen. Auch dürft Ihr nicht
hoffen, daß ich Euer Geheimnis bewahre. Tellsons dürfen nicht hintergangen werden.«
    »Ich hoffe«, bat der beschämte Mr. Cruncher, »daß ein Gentleman wie Ihr, dem ich so allerlei zu besorgen die Ehre hatte, bis ich grau geworden bin, sich zweimal besinnen wird, etwas zu meinem Schaden zu tun, selbst wenn es so wäre – ich sage nicht, daß es so ist, sondern nur, wenn es so wäre. Man müßte wohl ins Auge fassen, daß jede Sache zwei Seiten hat. Es gibt vielleicht zur Stunde noch Medizindoktors, die Guineen einnehmen, wo ein ehrlicher Geschäftsmann sich um Farthinge abmühen muß. – Um Farthinge? Nein, es langt noch zu keinem halben, noch zu keinem Viertelfarthing. Die fegen vorbei wie Rauch bei Tellsons, blinzeln dem Geschäftsmann mit ihren Medizineraugen zu und steigen in ihren Equipagen ein und aus – ah, wieder wie Rauch. So etwas macht dann sogar bei Tellsons Eindruck. Aber will man die Gans, so muß man

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