Eine Geschichte aus zwei Städten
und sich deshalb mit einem Generalpächter zu verbünden genötigt gesehen; denn was die öffentlichen Finanzen betraf, so konnte er nichts damit anfangen und mußte sie deshalb jemand überlassen, der es besser verstand; in Rücksicht auf die Privatfinanzen dagegen erschien der Umstand maßgebend, daß Generalpächter reich waren und Monseigneur nach Generationen des Luxus und der Verschwendung arm zu werden begann. Monseigneur hatte daher seiner Schwester, als es noch Zeit war, auf den Schleier, dieses wohlfeilste Gewand, das sie tragen konnte, zu verzichten, aus dem Kloster geholt, um mit diesem Preis einen sehr reichen Generalpächter, der arm an Familie war, zu beglücken. Besagter Generalpächter, der stets einen passenden Stock mit goldenem Knauf bei sich führte, befand sich eben unter der Gesellschaft in den Vorzimmern, hoch gefeiert von der ganzen Menschheit, mit Ausnahme der höheren Menschheit von Monseigneurs Blut, die einschließlich seiner eigenen Frau mit der stolzesten Verachtung auf ihn herabsah.
Der Generalpächter war ein Mann, der aufzutreten verstand. Dreißig Rosse standen in seinen Ställen, vierundzwanzig männliche Dienstleute saßen in seinen Hallen, und sechs Kammerzofen bedienten seine Gemahlin. Als ein Mann, der eingestand, sein ganzes Geschäft bestehe im Zugreifen und Plündern, wo
es nur immer etwas gab, war der Generalpächter, welchen Einfluß auch seine ehelichen Beziehungen auf seine gesellschaftliche Moral ausüben mochten, wenigstens eine Realität unter den Personen, die an jenem Tage im Palast von Monseigneur ihre Aufwartung machten.
Denn die Gemächer, wie schön sie sich auch ausnahmen und in dem Geschmack und der Kunstfertigkeit jener Zeit prunkten, waren gewiß keine gesunde Realität, und wenn man sie mit den Vogelscheuchen in Lumpen und Nachtkappen anderswo – nicht einmal weit davon, denn von den Wachttürmen der Notre-Dame-Kirche aus konnte man in gleichen Abständen die Gegensätze überschauen – verglich, so boten sie, falls im Hause von Monseigneur sich jemand damit abgeben mochte, sogar den Anblick einer recht unbehaglichen Realität. Offiziere vom Heer ohne militärische Kenntnisse, Flottenoffiziere ohne eine Vorstellung von einem Schiffe, Zivilbeamte ohne einen Begriff vom öffentlichen Dienst, keckstirnige Geistliche von der schlimmsten weltlichen Welt mit sinnlichen Augen, frechen Zungen und noch frecheren Sitten, alle insgesamt für ihre Berufszweige unpassend, trieben sich zu Dutzend und Dutzenden in den Vorzimmern herum und wurden fett im Genusse aller einträglichen Stellen, die ihnen zufielen, nur, weil sie zum Kreise von Monseigneur gehörten. Ferner sah man viele, die nicht unmittelbar zu Monseigneur oder dem Staate, gleichwohl aber auch nicht zu irgend etwas Realem oder einem Leben in Beziehung standen, das seine irdischen Zwecke auf einem offenen, geraden Wege anstrebt. Ärzte, die reich geworden waren von leckeren Heilmitteln gegen eingebildete, nie vorhanden gewesene Krankheiten, lächelten ihren hoffähigen Patienten in Monseigneurs Vorzimmern zu. Projektemacher, die allerhand Rezepte erfunden hatten gegen die kleinen, dem Staate anhaftenden Schäden, aber keines, durch das im Ernst
auch nur eine einzige Sünde ausgerottet worden wäre, schütteten ihr Gefasel in jedes Ohr, dessen sie bei Monseigneurs Empfang habhaft werden konnten. Ungläubige Philosophen, die die Welt mit Worten ummodelten und aus Kartenblättern Babylonische Türme zur Erstürmung des Himmels bauten, unterhielten sich in der wundervollen Versammlung bei Monseigneur mit ungläubigen Chemikern, die ein Auge auf die Umwandlung der Metalle hatten. Feine Herren, die ihre ausgesuchte Bildung schon in jener denkwürdigen Zeit, wie noch heute, durch ihre völlige Gleichgültigkeit gegen alles kundgaben, was naturgemäß das menschliche Interesse anspricht, trugen eine Haltung der musterhaftesten Langeweile im Palast Monseigneurs zur Schau. Diese verschiedenen Notabilitäten aus der feinen Welt von Paris hatten ein so eigentümliches Familienleben hinter sich, daß es die Spione unter den versammelten Anhängern Monseigneurs, aus denen wohl gut die Hälfte dieser hochgebildeten Gesellschaft bestand, schwer gefunden haben würden, unter den Engeln dieser Sphäre auch nur ein einziges weibliches Wesen zu entdecken, dem man in Aussehen und Benehmen angemerkt hätte, daß es eine Mutter sei. In der Tat war eine solche Stellung, mit Ausnahme des bloßen Akts, ein lästiges Geschöpf zur
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