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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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Bildnissen genauso präsentierte, wie er an dem Tag aussah, da er ‹Augustus› wurde, stellte er sich sehr bescheiden dar. Er zeigte sich oft mit der römischen Toga, die er, um Frömmigkeit zu demonstrieren, über den Kopf gezogen hatte. Und mitunter war er als Feldherr zu sehen, der seine Truppen in die Schlacht führt, was er in Wirklichkeit nie getan hat. Wir besitzen mehr als 250 Bildnisse von Augustus, die aus dem gesamten Römischen Reich stammen, und sie sehen im Grunde alle gleich aus – das Porträt hatte einen hohen Wiedererkennungswert und erwies sich als sehr dauerhaft.»
    Dieses ewige Bildnis sollte mit einem ewigen Namen verbunden sein. Nach seinem Tod wurde Augustus vom Senat zum Gott erklärt, der von den Römern zu verehren sei. Alle nachfolgenden Kaiser übernahmen seine Titel «Augustus» und «Caesar», und der Monat «Sextilius» wurde ihm zu Ehren in «Augustus» umbenannt. Dazu noch einmal Boris Johnson:
    «Augustus war der erste römische Kaiser und er machte aus der Römischen Republik eine Institution, die jeder in den folgenden Jahrhunderten auf vielfältige Weise nachzuahmen versucht hat. Wenn man an die Zaren und Kaiser, an Mussolini, Hitler und Napoleon denkt, so haben sie alle versucht, diese römische Ikonographie, diesen römischen Ansatz zu imitieren, der großteils mit Augustus und dem ersten ‹Prinzipat›, wie man es nannte, begann, der ersten imperialen Rolle, die er besetzte.»
    Große Herrschergestalten wie Augustus schaffen große Reiche, doch innerhalb dieser Reiche sind die Menschen bestimmt von den gleichen Leidenschaften, Zeitvertreiben und Sehnsüchten, die das Leben der gewöhnlichen Menschen schon immer bestimmt haben. Unter der Pax Romana war das nicht anders. Die nächsten Objekte, die allesamt aus dieser Zeit des römischen Friedens stammen, liefern Einblicke in diese Lebensformen. Sie handeln von Lastern und von Gewürzen. Den Anfang macht ein silberner Becher, der für einen Päderasten in Palästina angefertigt wurde.

Teil VIII
Antike Freuden, modernes Gewürz
1–500 n. Chr.
    Die Objekte in diesem
Abschnitt zeigen allesamt, dass die Einstellungen
zu Vergnügen, Luxus und Freizeit im Verlauf
der Geschichte deutlichen Schwankungen und Veränderungen
unterliegen. So wären beispielsweise die Beziehungen zwischen
Knaben und älteren Männern, die im Römischen Reich erlaubt waren,
heute absolut illegal. Dieser Abschnitt zeigt aber auch, wie viele unserer
modernen Freuden und Freizeitaktivitäten ihren Ursprung in der antiken
Religion haben: Das Rauchen von Tabak und einige der frühesten
Mannschaftssportarten waren Teil ausgefeilter Rituale, als man ihnen auf dem
amerikanischen Kontinent erstmals begegnete. Im Römischen Reich wurde
der Pfeffer nicht nur zu einem Ausweis von Reichtum, sondern auch zu
einer demonstrativen Finesse, die, so die Befürchtung einiger, den Staat
in den Ruin treiben werde. In China verzeichnete eine Malerei auf
ihrer Oberfläche all diejenigen, die über Generationen in den
Genuss der verfeinerten Botschaft dieser Malerei kamen:
Sie kündete davon, wie eine Dame sich zu
benehmen hatte.



36
Warren Cup
    Gefäß, vermutlich gefunden bei Bittir, nahe Jerusalem
5–15 n. Chr.
    Vor 2000 Jahren waren die Eliten der großen Reiche wie etwa des Imperium Romanum nicht nur mit Machtfragen und Eroberungen beschäftigt. Wie alle Eliten fanden auch sie Zeit für Vergnügen und Kunst. Dieses Objekt vereint beides. Es handelt sich um einen in Palästina gefertigten Silberbecher, der um das Jahr 10 n. Chr. entstand. Bevor er ins Britische Museum kam, befand er sich in der Sammlung des reichen Amerikaners Edward Warren (der die berühmteste Version von Rodins Skulptur
Der Kuss
in Auftrag gab), und er verrät uns fast genauso viel über sexuelle Vorlieben des 20. Jahrhunderts wie über entsprechende Präferenzen der Römerzeit.
    Der Warren Cup zeigt Szenen des Geschlechtsverkehrs zwischen erwachsenen Männern und jugendlichen Knaben. Bei diesem zweitausend Jahre alten Beispiel römischen Silberzeugs handelt es sich um einen Kelch, der so aussieht, als hätte darin ein ziemlich großes Glas Wein Platz. Er hat die Form einer modernen Sporttrophäe, steht auf einer recht schmalen Basis und hatte ursprünglich zwei Henkel, die allerdings verlorengingen. Man erkennt auf den ersten Blick, dass es sich um ein handwerkliches Meisterstück handelt. Die Szenen auf dem Kelch sind Reliefe, die dadurch gefertigt wurden, dass man das Silber von innen

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