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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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vom Zentrum aus regieren, sondern für seine Untertanen allerorten sichtbar sein konnte. Er führte die formidable Armee zu alter Stärke, damit sie die Reichsgrenzen verteidigen und sogar ausweiten konnte, und sorgte während seiner vierzig Jahre währenden Herrschaft für einen dauerhaften Frieden. Diese goldene Ära der Stabilität und Prosperität begann mit der berühmten «Pax Romana». Nachdem Augustus sich auf brutale Weise mit Kampf und Verhandlungsgeschick den Weg an die Spitze gebahnt hatte, wollte er, kaum im Amt als Kaiser, seinem Volk demonstrieren, dass er nicht vorhatte, ein Tyrann zu werden. Also begann er daran zu arbeiten, dass die Leute ihm vertrauten. Auf brillante Weise machte er aus Untertanen Unterstützer. Ich fragte Boris Johnson, den Bürgermeister von London und studierten Altertumswissenschaftler, nach seiner Einschätzung des Augustus:
    «Nun, er war vermutlich der größte Politiker, den die Welt je erlebt hat. Würde man so etwas wie ein All-Star-Team der führenden Politiker dieser Welt, der bestenDiplomaten und Ideologen aller Zeiten zusammenstellen, wäre Augustus so etwas wie der Mittelfeldregisseur und Kapitän dieser Elf.
    Er war entscheidender Teil des Kitts, der das gesamte Imperium Romanum zusammenhielt. Ob in Spanien oder Gallien oder in irgendeinem Tempel, überall stieß man auf Frauen mit Bildern von Augustus, von diesem Mann, von dieser Büste, die sie auf ihre Kleidung genäht hatten. Bei abendlichen Festen in Rom stellten Menschen Brustbilder wie dieses auf ihre Kaminsimse – auf diese Weise konnte er das gesamte Römische Reich begeistern und dieses Loyalitäts- und Zugehörigkeitsgefühl gegenüber Rom entfachen. Wenn man im Römischen Reich Lokalpolitiker werden wollte, wurde man ein Priester des Augustuskults.»
    Dieser Kult stützte sich auf eine unablässig laufende Propagandamaschine. Überall in Europa wurden Städte nach ihm benannt. Das heutige Saragossa wurde als Colonia Caesaraugusta gegründet, während Augsburg, Autun und Aosta sich vom Namen Augustus ableiten. Sein Kopf war auf Münzen zu sehen – und überall gab es Statuen von ihm. Doch unser Kopf hier im Britischen Museum stammt nicht von einer gewöhnlichen Statue. Er führt uns mitten hinein in eine ganz andere Geschichte – eine, die uns die dunkle Seite des kaiserlichen Narrativs zeigt, denn sie erzählt uns nicht nur von der Macht Roms, sondern auch von den Problemen, die das Römische Reich bedrohten und mitunter ins Wanken brachten.
    Dieser Kopf gehörte einst zu einer vollständigen Statue, die an der südlichsten Grenze des Reiches stand, an der Grenze zwischen dem heutigen Ägypten und dem Sudan – vermutlich in der Stadt Syene in der Nähe von Assuan. Diese Gegend war schon immer eine geopolitische Verwerfungslinie, wo die Welt des Mittelmeers und Afrika aufeinanderprallen. Im Jahr 25 v. Chr., so berichtet uns der Geschichtsschreiber Strabo, eroberte eine Invasionsarmee aus dem sudanesischen Königreich Meroë, angeführt von der wilden einäugigen Königin Kandake, eine Reihe römischer Forts und Städte in Südägypten. Kandake und ihre Truppe nahmen unsere Statue mit in die Stadt Meroë und begruben den abgeschlagenen Kopf des glorreichen Augustus unter den Stufen eines Siegestempels. Das war eine clever inszenierte Beleidigung. Von nun an würde jeder, der die Treppen zum Tempel emporstieg, buchstäblich den römischen Kaiser mit Füßen treten. Betrachtet man den Kopf genauer, erkennt man denn auch feine Sandkörner aus der afrikanischen Wüste, die sich in der Bronzeober flächefestgesetzt haben – ein Schandmal, das bis heute auf der Herrlichkeit Roms zu sehen ist.
    Doch es sollte noch mehr Demütigungen geben. Die unbezähmbare Kandake schickte Gesandte, welche die Bedingungen eines Friedensschlusses aushandeln sollten. Die Angelegenheit landete bei Augustus persönlich, der den Gesandten so ziemlich alles zugestand, worum sie baten. Er sicherte damit die Pax Romana, aber der Preis dafür war beachtlich. Es war das Vorgehen eines raffinierten, berechnenden politischen Führers, der anschließend die offizielle römische Propagandamaschinerie nutzte, um diesen Schatten auf seinem Bild zu übertünchen.
    Die Karriere des Augustus wurde zur imperialen Blaupause, wie man an die Macht kommt und sie behält. Eine Schlüsselrolle beim Machterhalt spielte ohne Zweifel die Steuerung des eigenen Bildes. Susan Walker beschreibt dieses Bild so:
    «Abgesehen davon, dass er sich in

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