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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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einen Moment glauben könnte, er sei wie du und ich – was er aber natürlich nicht ist. Es handelt sich um den römischen Kaiser, der zu der Zeit herrschte, als Jesus Christus geboren wurde. Die Büste stellt ihn dar, nachdem er kurz zuvor Antonius und Kleopatra besiegt und Ägypten erobert hat; er befindet sich auf dem besten Wege zu imperialem Ruhm und unbeirrt auf einer noch größeren Fahrt – nämlich zu einem Gott zu werden.
    In den vorangegangenen Kapiteln ging es um Herrscher, die Objekte in Auftrag gegeben haben, um damit ihre Macht zu behaupten – zumeist indirekt undmittels Assoziation. Hier haben wir es mit etwas völlig anderem zu tun – mit einem Regenten, der seinen eigenen Körper und sein Ebenbild einsetzt, um seine persönliche Macht geltend zu machen. Sein bronzener, überlebensgroßer Kopf vermittelt eine gnadenlos eindeutige Botschaft: Ich bin groß, ich bin euer Anführer und ich stehe weit über den Niederungen der Alltagspolitik. Und doch haben wir diesen gebieterischen Kopf ironischerweise nur deshalb hier im Museum stehen, weil er von einem Feind erbeutet und anschließend demütigend vergraben wurde. Die Herrlichkeit des Augustus ist keineswegs so ungetrübt, wie er uns glauben machen wollte.

    Augustus war Julius Caesars Großneffe. Die Ermordung Caesars 44 v. Chr. machte ihn zum Erben von dessen Vermögen und Macht. Er war gerade einmal neunzehn Jahre alt, als er mit einem Schlag in eine Schlüsselrolle in der Politik der Römischen Republik katapultiert wurde.
    Augustus, der damals noch Octavian hieß, stellte seine Altersgenossen im Kampf um die Macht schon bald in den Schatten. Der ausschlaggebende Moment seines Aufstiegs war die Niederlage von Marcus Antonius und Kleopatra in der Schlacht bei Actium 31 v. Chr. Italien, Frankreich, Spanien, Libyen und der Balkan gehörten bereits zu seinem Herrschaftsgebiet, doch nun eiferte Augustus seinem Vorbild, Alexander dem Großen, nach und sicherte sich die fetteste Beute – Ägypten. Jetzt konnte er über den immensen Reichtum des Königreichs am Nil verfügen. Er machte Ägypten zu einem Teil Roms – und die Römische Republik anschließend zu seinem persönlichen Imperium. Überall im Reich wurden Statuen des neuen Herrschers aufgestellt. Es gab bereits Hunderte von Statuen, die ihn als Octavian darstellten, den Mann der Tat und Parteiführer; doch im Jahr 27 v. Chr. erkannte der Senat seine politische Oberhoheit an und verlieh ihm den Ehrennamen Augustus – «der Erhabene». Dieser neue Status verlangte nach einer ganz anderen Art von Bildnis, und ein solches zeigt unser Kopf.
    Er wurde ein oder zwei Jahre, nachdem Augustus Kaiser geworden war, angefertigt und gehörte zu einer leicht überlebensgroßen Ganzfigur, die ihn als Kriegsherrn zeigte. Er ist am Nacken abgebrochen, sonst aber ist die Bronze in einem sehr guten Zustand. Dieses Bildnis dürfte, in der ein oder anderen Form, Hunderttausenden Menschen vertraut gewesen sein, denn Statuen wie diese wurden in allen Städten des Imperium Romanum aufgestellt. Augustus wollte,dass ihn seine Untertanen so sahen. Und obwohl er durch und durch Römer war, wollte er deutlich machen, dass er auf einer Stufe mit Alexander stand und sich als Wahrer des griechischen Erbes verstand. Die Althistorikerin Susan Walker erklärt dazu:
    «Nachdem er Herr über den Mittelmeerraum geworden war und den Namen Augustus angenommen hatte, brauchte er in der Tat ein neues Image. Er konnte nicht einfach Caesars Bild kopieren, denn der sah wie ein mürrischer alter Römer aus; er war ganz echt und ungeschminkt dargestellt, ganz schmal und hager, kahlköpfig – und sehr asketisch, ganz in der Tradition römischer Porträtkunst. Dieses Bild war jedoch ein wenig in Misskredit geraten, und Augustus, wie er jetzt hieß, schuf ohnehin ein völlig neues politisches System und brauchte ein dazu passendes neues Image. Dieses Image, das er noch in seinen Dreißigern entwarf, behielt er bis zu seinem Tod mit 76 Jahren bei; in seinen Porträts findet sich nicht der leiseste Hinweis auf einen Alterungsprozess.»
    Es war ein auf ewig mächtiger, auf ewig junger Augustus. Seine geschickte, ja beinahe dreiste Mischung aus Patronage und militärischer Macht, die er hinter den vertrauten Ämtern der alten Republik verbarg, diente späteren ambitionierten Herrschern als Vorbild und Lehrbeispiel. Er ließ neue Straßen bauen und richtete ein hoch effizientes Kuriersystem ein, damit er nicht nur sein Reich wirkungsvoll

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