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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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sondern einer Statue des Gottes, wie man sie vermutlich in einem Tempel zu Gesicht bekommen hat und wie sie Kumaragupta vielleicht selbst in Auftrag gegeben hat. Zu dieser Zeit entsteht eine Tradition der Tempelbildnisse, die bis zum heutigen Tag ungebrochen anhält.
    Auf der anderen Seite der Münze ist König Kumaragupta persönlich abgebildet, ebenfalls mit Pfau, aber anders als Kumara reitet er nicht darauf. Stattdessen bietet er dem heiligen Vogel seines Gottes auf elegante Weise Früchte an. Der König, der mit Krone und Heiligenschein dargestellt ist, trägt schweres Ohrgehänge und eine kunstvolle Halskette, und die Inschrift verrät uns, um wen es sich handelt: «Kumaragupta, verdientermaßen siegreich dank einer Fülle an Tugenden».
    Die Goldmünze tut, was Goldmünzen schon immer besonders gut konnten: Sie erzählt jedem, der sie in der Hand hält, dass sein Herrscher die besondere Gunst des Himmels und in diesem Fall des himmlischen Oberbefehlshabers genießt, denn er wird auf ganz besondere Weise mit dem Gott Kumara in Verbindung gebracht. Wir haben es mit einer Form der Massenkommunikation zu tun, die ungefähr zur Zeit von Alexanders Tod (siehe Kapitel 31) erfunden wurde und die Regierende seither für sich zu nutzen wussten: Die «Dei Gratia», die auf jedem britischen Penny für die Queen beschworen wird, steht in der gleichen Tradition wie Kumaraguptas Münze. Doch Kumaraguptas Bildnis seines Gottes ist weit mehr als nur die Theologie der Macht – sie kündet auch von einem universellen menschlichen Wunsch. Sie zeugt von der Sehnsucht nach einer unmittelbaren persönlichen Verbindung mit dem Göttlichen, die jedem – nicht nur dem König – möglich sein soll. Vermittelt über Statuen und Bildnisse, ist diese Beziehung seither zentraler Bestandteil des Hinduismus.
    Unter den Gupta-Königen nahmen die wichtigsten Gottheiten des Hinduismus und ihre Verehrung eine Form an, welche die religiöse Landschaft Indiens bis heute bestimmt, und in den letzten Jahren wurde dieser hinduistische Aspekt der religiösen Aktivitäten der Guptas auch von Historikern zunehmend in den Mittelpunkt gerückt. Wie Romila Thapar, emeritierte Professorin für altindische Geschichte an der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi, erklärt, sind die Guptas bis heute in Indien präsent – nicht nur in den Monumenten, die sie hinterließen, sondern auch in der Art und Weise, wie ihre Epoche politisch vereinnahmt wird:
    «Als die Kolonialgeschichte historisch aufgearbeitet wurde, als es eine nationalistische Geschichtsschreibung gab, verklärte man die Gupta-Zeit zum ‹goldenen Zeitalter›. In den letzten Jahrzehnten hat sich in Indien ein Denken entwickelt, das man als Hindutva bezeichnet und das behauptet, allein der Hindu sei legitimer Bürger Indiens, denn er sei indigener Bewohner des Landes. Alle anderen – Muslime, Christen, Parsen – seien später und von außerhalb gekommen. Sie seien Fremde gewesen. Dabei sind 99 Prozent von ihnen indischer Herkunft. Aufgrund dieses Denkens schenkte man der Gupta-Zeit seither viel Aufmerksamkeit.»
    Das überrascht. Denn wie die beiden Münzen zeigen, begründeten die Guptas zwar den Tempelhinduismus in so etwas wie seiner modernen Form, doch sieerkannten auch ältere religiöse Traditionen an und waren keineswegs ausschließend, sondern schützten großzügig sowohl Buddhismus als auch Jainismus. Kurz gesagt: Kumaragupta steht in der großen indischen Tradition, die vom buddhistischen Ashoka 600 Jahre zuvor begründet wurde – einer Tradition, wonach der Staat viele Religionen und Glaubensgruppen toleriert. Diese Haltung wurde später dann von den islamischen Moguln, den Briten und den Begründern des modernen Indien übernommen.
    Der hinduistische Neasden-Tempel (Shri Swaminarayan Mandir) im Londoner Stadtbezirk Brent.



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Teller mit dem Bildnis von Schapur II.
    Silberteller, aus Iran
309–379 n. Chr.
    Richard Strauss’ sinfonische Dichtung
Also sprach Zarathustra
kennen viele Menschen vor allem deshalb, weil sie den Soundtrack zu Stanley Kubricks berühmtem Film
2001: Odyssee im Weltraum
bildet. Doch kaum jemand weiß, was Zarathustra tatsächlich sprach oder wer das überhaupt war. Das mag ein wenig überraschen, denn Zarathustra – oder mit bekannterem Namen Zoroaster – begründete eine der größten Religionen der Welt. Jahrhundertelang gehörte der Zoroastrismus neben dem Judentum, dem Christentum und dem Islam zu den wichtigsten Glaubensrichtungen im

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