Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
zum Boden mit Kupferguss-Platten behängt, auf denen ihre kriegerischen Heldentaten und Schlachten abgebildet sind und die sie sehr sauber halten.»
Europäer, die Benin im 15. und 16. Jahrhundert bereisten, fanden eine Gesellschaft vor, die in jeder Hinsicht so wohlorganisiert und strukturiert war wie die Königshöfe in Europa, und sie verfügte über einen Verwaltungsapparat, der in der Lage war, alle Bereiche des öffentlichen Lebens, nicht zuletzt den Außenhandel, zu lenken. Der Königshof in Benin war ein durch und durch internationaler Ort, und das ist ein Aspekt der Messingtafeln, der die in Nigeria geborene Bildhauerin Sokari Douglas Camp besonders fasziniert:
«Selbst auf zeitgenössischen Darstellungen trägt der Oba mehr Ringe als alle anderen und seine Brustplatte weist mehr Korallenschmuck auf. Das Bemerkenswerte an Nigeria ist, dass all diese Korallen und sonstigen Dinge überhaupt nicht von unserer Küste stammen, sie kommen aus Portugal und von anderen fernen Orten. Dieses Thema war schon immer sehr wichtig für mich – wir haben Dinge, die als zutiefst traditionell betrachtet werden, aber sie haben ihre traditionelle Bedeutung erst durch den Handel erlangt.»
Das Messing, das man zur Fertigung der Reliefplatten benötigte, wurde in Form von großen Armreifen, so genannten Manillas, geliefert, und die Mengen, um die es dabei ging, sind überwältigend. Ein deutsches Handelshaus allein schloss 1548 einen Vertrag über die Lieferung von 432 Tonnen für den Handel mit Westafrika bestimmten Messings an Portugal. Wenn wir genauer hinsehen, erkennen wir, dass einer der Europäer auf unserer Tafel tatsächlich eine Manilla in der Hand hält, was uns die Bedeutung der ganzen Szene erschließt: Der Oba erscheint in Begleitung seiner Beamten, die den Handel mitEuropa organisieren und lenken. Die drei Afrikaner im Vordergrund sind in viel größerem Maßstab dargestellt als die beiden Europäer im Hintergrund, die mit langem Haar und aufwendig verziertem und mit einer Feder geschmücktem Helm erscheinen. Die Manilla zeigt, dass das Messing, das von Europa nach Westafrika gelangte, nur als Rohmaterial diente, aus dem einheimische Handwerker Kunstwerke wie dieses fertigten; und die Tafel selbst belegt, dass die Afrikaner bei diesem Handel von Anfang bis Ende das Heft in der Hand hatten. Dazu gehörte auch ein absolutes Ausfuhrverbot für die Messingtafeln. Während Elfenbeinschnitzereien aus Benin im 16. Jahrhundert in den Handel gelangten und in Europa große Bekanntheit genossen, waren die Messingtafeln ausschließlich dem Oba vorbehalten und durften das Land nicht verlassen. Bis 1897 hatte man in Europa kein einziges dieser Objekte gesehen.
Am 13. Januar 1897 verkündete eine Schlagzeile in der
Times
eine «Katastrophe in Benin». Eine britische Delegation hatte versucht, während einer wichtigen religiösen Feier in die Stadt Benin einzureisen, und bei den darauf folgenden Auseinandersetzungen waren einige Mitglieder der Gruppe getötet worden. Was genau sich bei dem Zwischenfall abspielte, war alles andere als klar, und es wurde heftig darüber diskutiert. Wie immer die Sachlage gewesen sein mag, jedenfalls unternahmen die Briten, vordergründig aus Rache für die Morde, eine Strafexpedition, in deren Verlauf und Folge die Stadt Benin überfallen, der Oba außer Landes gejagt und das Protektorat Südnigeria ausgerufen wurden. Zu den Dingen, die bei dem Angriff auf Benin erbeutet wurden, gehörten Elfenbeinschnitzereien, Korallenschmuck und Hunderte von Bronzestatuen und -tafeln. Viele der Beutestücke wurden zur Deckung der Expeditionskosten versteigert und von Museen in aller Welt erworben.
Als die noch völlig unbekannten Statuen in Europa ankamen, sorgten sie für gewaltiges Aufsehen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass sie das europäische Verständnis der afrikanischen Geschichte und Kultur veränderten. Der damalige Direktor des Britischen Museums, Charles Hercules Read, war einer der ersten, der die Reliefplatten zu Gesicht bekam und der ihre Bedeutung und ihren künstlerischen Wert erkannte:
«Es versteht sich fast von selbst, dass wir beim ersten Anblick dieser bemerkenswerten Kunstwerke einerseits verblüfft waren über eine so unerwartete Entdeckungund uns andererseits eine so hoch entwickelte Kunst bei einer so ganz und gar barbarischen Rasse kaum erklären konnten …»
Es kursierten die abenteuerlichsten Theorien. Die einen nahmen an, die Tafeln müssten aus dem alten
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