Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
Verlust der Erde gleichbedeutend sei mit dem Verlust des Himmels. David Edmunds, Professor für amerikanische Geschichte an der Universität von Texas, erklärt:
«Die Beziehung der amerikanischen Ureinwohner zum Land ist sehr wichtig. Man muss sich klar machen, dass das Land für Stammesvölker kein Gebrauchsgut ist und es auch nie war. Es war der Ort, an dem man lebte, den man miteinander teilte, den man nutzte, an den man aber keine wie auch immer gearteten Besitzansprüche hatte. Man konnte das Land ebenso wenig besitzen wie die Luft über dem Land oder den Regen, der darauf fiel, oder die Tiere, die darauf lebten. Das Land und der Ort haben eine so große Bedeutung für Stammesvölker, dass Geschichte eher als eine Funktion des Ortes als der Zeit wahrgenommen wird. Menschen werden einem bestimmten Gebiet zugeordnet, dieses Gebiet ist der Mittelpunkt ihrer Welt … folglich ist dieser Ort so tief in ihrer Seele verwurzelt, dass sie ihn niemals veräußern würden. Als die Indianer dann Anfang des 19. Jahrhunderts gezwungen waren, Land zu verkaufen, um überleben zu können, war das eine traumatische Erfahrung für sie. Außerdem muss man bedenken, dass in Stammesgesellschaften auch das religiöse Leben stark an den Ort gebunden ist, das heißt, dass ihre Kosmologie, die Kräfte in ihrem Universum mit dem Landstrich verknüpft sind, in dem sie leben.»
Die Siedler konnten das Geschäft, von dem hier die Rede war, nicht zum Abschluss bringen, weil es von der britischen Kolonialverwaltung unterbunden wurde. Wenige Jahre später sollte die angespannte Stimmung zwischen den Siedlern, die immer mehr Land brauchten, und der britischen Krone, die an guten Beziehungen zu den Stammesführern der amerikanischen Ureinwohner interessiert war, einer der Auslöser für den Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges sein. Doch mit der Unabhängigkeit löste sich das Problem nicht in Wohlgefallen auf. Die Gouverneure der Bundesstaaten standen vor dem gleichen Dilemma wie ihre britischen Vorgänger, und sie sahen sich ebenfalls gezwungen,Landkäufe der Wabash Company von den Piankishwa zu verhindern, weil sie gegen bestehende Verträge verstießen. In unserer Landkarte und in den gescheiterten Verhandlungen, für die sie ursprünglich gefertigt wurde, spiegeln sich drei unterschiedliche Sichtweisen der Welt – die der amerikanischen Ureinwohner, die seit undenklichen Zeiten die rechtmäßigen Bewohner des Landes waren, die der Siedler, die sich dieses Land aneignen wollten, und die der Regierung in London, die sich Goldsmiths Kritik zu Herzen nahm und sich um eine vernünftige Lösung bemühte, aber nicht über die Macht verfügte, sie durchzusetzen.
89
Australischer Borkenschild
Holzschild, aus der Botany Bay, Neusüdwales, Australien
Um 1770 n. Chr.
Der Schild ist eines der stärksten Objekte, die in diesem Buch vorgestellt werden, ein Objekt voll symbolischer Gewalt, ein vielschichtiges Dokument der Geschichte und Legenden, der Weltpolitik und der Rassenbeziehungen. Es ist ein Schild der Aborigines, und es ist eines der ersten australischen Objekte, die nach Europa gelangten. James Cook brachte es von seiner ersten Weltumsegelung mit, acht Jahre vor den verhängnisvollen Ereignissen, von denen in Kapitel 87 die Rede war. Wir wissen auf den Tag genau, wann es Cook in die Hände fiel – es war der 29. April 1770 –, weil Cook selbst und einige seiner Begleiter schriftliche Zeugnisse davon hinterlassen haben. Der australische Ureinwohner, dem der Schild gehörte, kannte keine Schrift, weshalb die Geschichte, die Objekte erzählen, so wichtig sein kann: Dieser Schild spricht für den namenlosen Mann, der vor fast 250 Jahren am Ufer der Botany Bay seine erste Begegnung mit einem Europäer hatte.
Cook hat in seinem Logbuch die Ankunft an der Ostküste Australiens südlich des heutigen Sydney festgehalten: «Am Sonntag dem 29. nachmittags bei südlichen Winden und klarem Himmel in die Bucht eingelaufen und vor dem südlichen Ufer Anker geworfen.» Der Ankerplatz lag in einer Bucht, die ihren späteren Namen, Botany Bay, dem Sammeleifer des Botanikers Joseph Banks verdankte, der Cook auf seiner Reise begleitete. Im Logbuch heißt es weiter:
«Sahen beim Einlaufen an beiden Spitzen der Bucht mehrere Eingeborene und ein paar Hütten … als wir uns dem Ufer näherten, liefen sie alle weg bis auf zwei Männer, die unsere Landung offenbar verhindern wollten – als ich das sah, befahl ich, die Ruder einzuholen, um mit ihnen zu
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