Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
islamischen Osmanischen Reich, aber viele sudanesische Muslime lehnten das, was sie da sahen, als recht oberflächlichen Islam ab, der überdies politische Unterdrückung mit sich brachte. 1881 tratschließlich ein militärischer und religiöser Anführer auf den Plan: Muhammad Ahmad erklärte sich zum Mahdi – dem von Gott Geleiteten – und scharte eine Truppe um sich, mit der er in einem heiligen Krieg den Sudan von den laxen, europäisierten Ägyptern zurückerobern wollte. Das war der sogenannte Mahdi-Aufstand, und zum ersten Mal in der Geschichte der Neuzeit griff eine selbstbewusste islamische Armee die Truppen des Imperialismus an. Eine Zeitlang fegte diese Armee alles hinweg, was sich ihr in den Weg stellte.
Großbritannien hatte ein grundlegendes strategisches Interesse an einer stabilen ägyptischen Regierung. Der Suezkanal, der 1869 von Franzosen und Ägyptern gebaut worden war, war eine wirtschaftliche Lebensader, die entscheidende Verbindung zwischen dem Mittelmeer und Britisch-Indien. Doch der Bau des Kanals, weitere Großprojekte und chronische Misswirtschaft der ägyptischen Khediven hatten zu einer überbordenden Verschuldung des Landes geführt. Als dann auch noch der Mahdi-Aufstand hinzukam, sah es so aus, als würde Ägypten im Bankrott und im Bürgerkrieg versinken. Aus Sorge um die Sicherheit des Kanals beschlossen die Briten 1882, einzugreifen und ihre nationalen Interessen zu wahren. Sie schickten Expeditionstruppen, und die ägyptische Regierung durfte nur noch unter britischer Aufsicht weiterregieren. Als kurz darauf die Mahdisten Khartum belagerten, wandten die Briten ihre Aufmerksamkeit dem Sudan zu. Als der Mahdi immer mächtiger wurde, schickte die ägyptische Regierung General Gordon als Befehlshaber der ägyptischen Armee in den Sudan. Seine Truppen wurden jedoch eingeschlossen; Gordon selbst wurde in Khartum enthauptet und in Großbritannien zum Märtyrer. Die Mahdisten brachten den Sudan unter ihre Kontrolle. Noch einmal Dominic Green:
«Gordon starb einen dieser schrecklichen viktorianischen Tode: Er wurde in Stücke gehackt und dann in Marmorstatuen und Ölgemälden überall in Großbritannien wieder zusammengesetzt. Khartum fiel im Januar 1885, und nachdem sich die Empörung gelegt hatte, geriet der Sudan bei den Briten bis Mitte der 1890er Jahre ziemlich in Vergessenheit. Es war die Zeit des ‹scramble for Africa›, des Wettlaufs um Afrika; die britische Strategie lief im Wesentlichen darauf hinaus, einen zusammenhängenden Nord-Süd-Gürtel von Kolonien vom Kap bis Kairo zu errichten (der sogenannte Kap-Kairo-Plan). Die Franzosen arbeiteten sich von Ost nach West bzw. von West nach Ost voran und schickten eine Expeditionstruppe unter Major Marchand. Diese landete in Westafrika und stolperte durch die SümpfeRichtung Nil. Die Briten merkten das und schickten einen relativ kleinen Trupp unter Horatio Herbert Kitchener, und 1898, dreizehn Jahre nach der Belagerung, standen Kitcheners Soldaten schließlich der Armee des Mahdi gegenüber.»
Am 2. September 1898 schlug Kitcheners anglo-ägyptische Armee die Streitkräfte des Mahdi bei Omdurman vernichtend – in der Schlacht kam es zu einem der letzten frontalen Kavallerieangriffe der britischen Armee, und zu den Teilnehmern gehörte auch der junge Winston Churchill. Auf sudanesischer Seite fielen ungefähr 11.000 Mann, 13.000 wurden verwundet. Die angloägyptischen Truppen verloren keine fünfzig Mann. Das war ein brutales Ergebnis – und wurde von den Briten mit dem Schutz ihrer regionalen Interessen gegenüber den Franzosen gerechtfertigt, aber auch als Racheakt für den Tod Gordons in Khartum; außerdem hätten sie damit dem in ihren Augen beschämenden Sklavenhandel ein Ende gemacht.
Kitcheners Armee fand die Trommel in der Nähe von Khartum, nachdem sie die Stadt zurückerobert hatte. Und wieder wurde sie äußerlich modifiziert – oder umgewidmet –, um ein politisches Statement abzugeben: Am Schwanz des Buschkalbs fügte Kitchener das Emblem des britischen Königshauses hinzu. Dann wurde die Trommel Königin Viktoria überreicht.
Von 1899 bis zur Unabhängigkeit 1956 wurde der Sudan als britischägyptisches Kondominium regiert. Die meiste Zeit über war die britische Politik darauf ausgerichtet, das Land in zwei im Grunde völlig getrennte Regionen aufzuspalten – den islamischen, arabisch geprägten Norden und den zunehmend christlichen, afrikanischen Süden. Der Großvater der sudanesischen Journalistin Zeinab
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