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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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– es gibt noch kein Geld, keine Währung. Wie kommen die Menschen damit zurecht? Die Symbole lehren uns, dass sie Bier verwendet haben. Es gab keine Liquiditätsklemme; angesichts der fehlenden Währung löste man das Problem eben anders, und gleichzeitig sorgte man dafür, dass der Staat funktionierte. Im Zuge ihrer Weiterentwicklung werden diese Dinge für diese Gesellschaft immer wichtiger. Und so entwickelt sich die Fähigkeit, Buch zu führen, Sachen aufzuschreiben, was ein Kernelement des modernen Staates darstellt – zu wissen, wie viel Geld man ausgibt und was man dafür bekommt. Diese Tafel ist für mich so etwas wie das frühe Pendant zum Notizbuch des Kabinettssekretärs – eine unerhörte Neuerung.»
    Als sich die Schrift im umfassenden Sinne entwickelte und an die Stelle der Piktogramme Lautsymbole traten, muss das Leben als Schreiber ziemlich aufregend gewesen sein. Die Schaffung neuer Lautzeichen war vermutlich ein recht rasanter Prozess, in dessen Verlauf die Zeichen aufgelistet werden mussten – wenn man so will, die ersten Wörterbücher –, und damit begann ein intellektueller Prozess der Kategorisierung von Wörtern, Dingen und den Beziehungen zwischen beiden, der seither kein Ende gefunden hat. Unsere kleine Bierrationentafel führt unmittelbar und rasch zur Möglichkeit, über uns selbst und die uns umgebende Welt gänzlich anders zu denken.
    John Searle, Professor für Philosophie an der University of California, schildert,was mit dem menschlichen Geist passiert, wenn die Schrift Teil der Kultur wird:
    «Die Schrift ist von essenzieller Bedeutung für das, was wir als menschliche Zivilisation bezeichnen. Sie verfügt über ein schöpferisches Potenzial, das möglicherweise gar nicht intendiert war. Man versteht vermutlich gar nicht so richtig, welche Revolution die Schrift mit sich brachte, wenn man sie primär als Medium betrachtet, mit dem sich Informationen für die Zukunft bewahren lassen. Es sind vor allem zwei Bereiche, in denen sie für die gesamte Menschheitsgeschichte einen absolut entscheidenden Unterschied bedeutet. Der eine ist das komplexe Denken. Bei dem, was man mit Hilfe des gesprochenen Wortes machen kann, gibt es eine Grenze. Höhere Mathematik etwa oder auch nur komplexere Formen der philosophischen Argumentation sind unmöglich, wenn man sie nicht irgendwie aufschreiben und lesen kann. Die Schrift ist also keineswegs nur eine Möglichkeit, Fakten über die Vergangenheit und die Gegenwart für die Zukunft festzuhalten. Im Gegenteil, sie ist ungeheuer kreativ. Aber genauso wichtig ist ein zweiter Aspekt: Wenn man etwas aufschreibt, hält man nicht nur etwas fest, was bereits existiert, sondern schafft neue Entitäten – Geld, Unternehmen, Regierungen, komplexe Formen von Gesellschaft. Für sie alle ist die Schrift unabdingbare Voraussetzung.»
    Die Schrift scheint unabhängig voneinander in Mesopotamien, Ägypten, China und Mittelamerika entstanden zu sein – allesamt Zentren mit wachsender Bevölkerung –, gleichwohl wird erbittert darum gestritten und gewetteifert, wer als Erster geschrieben hat. Im Moment liegt offenbar Mesopotamien in Führung, aber das mag vor allem damit zu tun haben, dass in seinem Fall die Beweisstücke – in Ton geritzt – erhalten geblieben sind.
    Wie wir gesehen haben, setzten die Herrscher in Ägypten und Mesopotamien zunächst auf militärische Gewalt, um ihre Untertanen in den neuen, bevölkerungsreichen Städten unter Kontrolle zu halten. Doch mit der Schrift fanden sie eine noch viel wirkungsvollere Waffe sozialer Kontrolle. Selbst ein Griffel aus Schilfrohr erwies sich als mächtiger als das Schwert.

Teil IV
Die Anfänge von Wissenschaft und Literatur
2000–700 v. Chr.
    Die Entstehung von Städten und Staaten
in verschiedenen Teilen der Welt hatte vielfältige
Folgen, unter anderem die ersten schriftlich niedergelegten
literarischen Texte sowie die Entwicklung von Wissenschaft
und Mathematik. Diese frühen Städte und Staaten existierten
freilich keineswegs isoliert, sondern waren durch ausgedehnte
Handelsrouten zu Land und zur See miteinander verbunden.
Gleichwohl lebte die Weltbevölkerung noch immer mehrheitlich in
versprengten Gemeinschaften, doch diese Menschen schufen zahlreiche
komplexe und hochentwickelte Objekte, insbesondere aus
Materialien wie Bronze und Gold, die oft erhalten geblieben sind.
Viele dieser Objekte fungierten eindeutig als Demonstrationen
der Macht, sie sollten Untertanen, Besucher und
möglichst auch

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