Eine Geschichte von Liebe und Feuer
nichts mehr, was er diesem Mann zu sagen hatte, mit dem er nichts auÃer seinen Namen teilte.
»Wenn es mir nicht darum ginge, unseren guten Namen nicht in Verruf zu bringen, würde ich dich noch in dieser Minute bei den Behörden anzeigen.«
Komninos erwartete eine Antwort von seinem Sohn und hielt einen Moment inne. Dimitris Schweigen erzürnte ihn noch mehr.
»Warum begreifst du denn nicht, Dimitri, dass man mit Kämpfen dieses Land nicht voranbringt?«
»Und wie sieht die Zukunft aus?«, erwiderte Dimitri schlieÃlich. »Kollaboration.«
Das Gespräch zwischen Vater und Sohn war relativ ruhig verlaufen, aber die unterdrückte Wut war beinahe mit Händen zu greifen. Konstantinos Komninos hatte das letzte Wort.
»Geh mir aus den Augen, Dimitri«, sagte er.
Als er an der geschlossenen Tür seiner Mutter vorbeiging, empfand Dimitri einen heftigen Schmerz. Wie konnte seine Mutter, die er so liebte und jeden Tag schmerzlich vermisste, mit diesem grässlichen Egoisten verheiratet sein, mit diesem Faschisten? Mit dieser Frage und schrecklichen Schuldgefühlen wegen der Trauer, die er Olga bereitete, ging er langsam die Treppe hinunter. Pavlina stand in der Diele.
»Leb wohl«, sagte er und küsste sie. »Sag meiner Mutter, dass es mir leidtut â¦Â«
Bevor sie ihm noch etwas antworten konnte, war er schon fort. Sie berührte ihre Wange und stellte fest, dass sie feucht war. Aber die Tränen stammten nicht von ihr.
DrauÃen auf der StraÃe war Dimitri nicht sicher, was er tun sollte. Das Treffen mit Elias war erst auf den nächsten Tag festgesetzt, trotzdem gab es nur einen Ort, an dem er sich sicher fühlen würde: die IrinistraÃe.
In zwanzig Minuten, in denen er sich immer wieder nervös in Hauseingänge duckte und sorgsam vermied, die Aufmerksamkeit der Militärpolizei auf sich zu ziehen, war er dort angekommen. In der IrinistraÃe war es ruhig, abgesehen von zwei Frauen, die oben an der StraÃe vor dem Haus saÃen und sich unterhielten. Er schob den Türvorhang beiseite und schlüpfte ins Haus der Morenos. Obwohl es erst dämmerte, war es im Innern stockdunkel.
»Dimitri!«
Es war eine vertraute Stimme. Nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, machte er die Umrisse von vier Leuten aus, die um den Tisch saÃen. Alle erhoben sich und kamen auf ihn zu.
»Dimitri! Was machst du schon hier?«, fragte Elias.
»Das ist aber eine schöne Ãberraschung«, sagte Saul Moreno. »Wir freuen uns sehr, dich zu sehen!«
»Komm! Komm, setz dich. Du musst etwas essen!«
Roza Moreno führte ihn an den Tisch, wo Isaac bereits einen Stuhl heranzog.
Kurz darauf nahm er die erste richtige Mahlzeit seit Monaten zu sich, und er genoss zutiefst, wie normal sich alles anfühlte.
»Sag mir: Hast du deinen Vater gesehen?«, fragte Elias.
»Ja«, antwortete Dimitri mit vollem Mund. »Ich hätte wissen sollen, wie es sein würde.«
Die ganze Familie brauchte keine weiteren Erklärungen, um zu verstehen, was das hieÃ. Alle schwiegen einen Moment.
»Also, erzählt uns. Erzählt uns alles«, drängte Saul Moreno die beiden. »Wir wollen alles wissen.«
Roza Moreno lief unermüdlich hin und her, um die Teller immer wieder aufs Neue zu füllen und dabei endlos Fragen zu stellen. Bis in die frühen Morgenstunden erzählten die beiden erschöpften Männer von ihren Kämpfen und Erlebnissen, wie Dimitri Verletzungen genäht, Verbände angelegt und Kugeln aus Wunden entfernt hatte. Dimitri und Elias erzählten nicht nur, sondern hörten auch zu und stellten Fragen. Auch im Leben der Morenos hatte sich im Lauf der vergangenen achtzehn Monate viel verändert. Wie fühlte es sich an, in einer besetzten Stadt zu leben? Wie verhielten sich die Deutschen? Wie behandelten sie die Juden?
Saul Moreno zeichnete ein sehr positives Bild des Ganzen, aber Isaac war ehrlicher.
»Wir müssen Anzüge nähen für die Deutschen«, sagte er verdrossen. »Wir würden gern Rasierklingen in die Säume einnähen, aber das wäre schlecht fürs Geschäft.«
»Aber wir hatten groÃes Glück«, sagte Saul. »So viele jüdische Geschäfte wurden geschlossen. Zumindest haben wir unseres noch. Und glaub mir, wir haben mehr zu tun denn je.«
»Aber keine Arbeit, die wir gern machen würden â¦Â«
»Isaac!«,
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