Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Klatschen und höhnische Zwischenrufe, die zu ihrer Erniedrigung beitrugen.
Mehrere Stunden lang zwang man sie vor der zusammengeströmten Menge ohne Wasser, Schatten oder Ruhepausen zu diesem Spektakel. Jakob, dessen kahler Kopf vier Stunden lang der prallen Sonne ausgesetzt war, übergab sich und brach zusammen. Eine Stunde später war er immer noch bewusstlos, aber keiner seiner Freunde durfte ihm beistehen. SchlieÃlich wurde er von den Deutschen an den Beinen gepackt und grob weggeschleift, und als Isaac versuchte, dagegen zu protestieren, lieà man Hunde auf ihn los. Der Menge schien dies zu gefallen. Je mehr Terror und Erniedrigung man ihnen bot, desto lauter jubelten sie. Christen, die den Löwen vorgeworfen wurden, hatten den brüllenden Horden keinen gröÃeren Spaà bereiten können. SchlieÃlich verloren aber selbst die Peiniger das Interesse an dem Spektakel, und die Juden, von denen viele schon halb bewusstlos waren, wurden zusammengetrieben und auf Lastwagen verladen.
Am folgenden Morgen befanden sich Isaac und seine Gruppe auÃerhalb von Larissa, südwestlich von Thessaloniki. Jakob war nicht mehr bei ihnen. Er war gestorben, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.
Und hier begann ihre wirkliche Folter. Täglich zehn Stunden lang mussten sie pausenlos schuften, schutzlos der unbarmherzigen Sonne und Heeren von Moskitos ausgesetzt. Auch nachts, wenn sie schliefen, lieÃen die Insekten nicht von ihnen ab, und nach zwei Wochen zeigten sich bei vielen die ersten Anzeichen von Malaria. Doch auch dann gönnte man ihnen keine Pause, und die Wachen trieben sie jeden Morgen wieder zur Arbeit hinaus. Ein- oder zweimal nahmen ansässige Dorfbewohner das Risiko auf sich und brachten ihnen Essen oder frische Kleider, aber das war die einzige Wohltat, die ihnen je zuteilwurde. Viele brachen vor den Wachposten zusammen, die ihre ausgemergelten Leiber mit Gewehrkolben traktierten, um zu sehen, ob man noch eine Stunde Plackerei aus ihnen herausschinden konnte. Nur der Tod galt als Entschuldigung, mit der Quälerei aufzuhören.
Als der Vierte aus ihrer verschworenen Gemeinschaft aufgrund der bestialischen Grausamkeit der Deutschen gestorben war, begannen zwei aus der Gruppe, über Flucht nachzudenken.
»Wir gehen hier ohnehin zugrunde, also können wir es genauso gut versuchen!«
»Du weiÃt nicht, ob sie uns nicht nach Hause gehen lassen, wenn die Arbeit hier fertig ist«, sagte Isaac. »Abgesehen davon wirst du erschossen, wenn du zu fliehen versuchst.«
»Aber sie werden nichts davon mitkriegen, wenn wir versuchen abzuhauen â¦Â«
»Das kannst du nicht wissen! Vielleicht machst du für die anderen alles nur noch schlimmer.«
Obwohl vor ihrem provisorischen Zelt permanent eine Wache stand, konnten sie davon ausgehen, dass ihre Sprache ihnen einen gewissen Freiraum schuf. Für die Deutschen war Ladino nicht mehr als ein unverständliches Gebrabbel.
Ihre Quälerei ging unverändert weiter, und Isaac musste jeden Tag mit ansehen, wie seine jüdischen Kameraden zusammenbrachen. Aber plötzlich gab es einen Hoffnungsschimmer, dass sie vielleicht alle entlassen werden könnten.
Der jüdischen Gemeinde war angeboten worden, die Arbeiter zurückzukaufen, und es wurde ein Preis von drei Millionen Drachmen festgesetzt. In schierer Verzweiflung unternahmen die Angehörigen den Versuch, das Geld irgendwie aufzutreiben.
Dann wurde ein anderer Vorschlag gemacht. Anstatt diese ungeheure Summe aufzubringen, könne die jüdische Gemeinde in Form eines Sachwerts bezahlen und ihren Fried hof abgeben. Die Verwaltung hatte schon lange versucht, sich das groÃe und wertvolle Grundstück inmitten der Stadt anzueignen, und jetzt bot sich die Chance dafür: Der Friedhof wurde auf einen Wert geschätzt, der genau der geforderten Ablösesumme entsprach.
In der jüdischen Gemeinde herrschte Aufruhr. Im Atelier der Morenos, wo viele Angestellte ihre Verwandten auf dem alten historischen Friedhof begraben hatten, gab es Tränen der Wut und Hilflosigkeit.
»Aber der Wert unserer Vorfahren lässt sich doch nicht mit Geld bemessen«, protestierte einer der älteren Schneider. »Das können wir auf keinen Fall zulassen!«
»Und einige dieser Gräber sind mehr als fünfhundert Jahre alt!«
»Hört zu, die Begrabenen sind schon tot, aber meine Söhne leben noch«, erwiderte einer der Schneider,
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