Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Moscheen, doch es schien, als fänden die Menschen immer noch Trost an den Orten ihrer Gottesverehrung. Wo Mauern stehen geblieben waren, kampierten Leute in ihrem Schatten. Wäsche wurde zwischen den Säulen aufgehängt, in den Eingängen von Synagogen gab es improvisierte Küchen, und im Innern von ausgebrannten Moscheen waren Tücher gespannt, um Räume abzutrennen.
Der Anblick zweier Banken, der Banque de Salonique und der Banque dâAthènes, sowie eines groÃen, mit Marmor verkleideten Kaufhauses, die fast unbeschädigt waren, erfüllte Konstantinos einen Moment lang mit Zuversicht, aber diese Gebäude waren wundersame Ausnahmen.
Das Hotel Splendide, wo die Gäste am Abend des 18 . August diniert hatten und absolut überzeugt gewesen waren, dass die Flammen ihnen nichts anhaben würden, war vernichtet. Leonidasâ Lieblingslokal, ein Kaffeehaus auf der Seepromenade an der Ecke des Eleftheria-Platzes, hatte das gleiche Schicksal getroffen. Der Platz, der einst das Herz des gesellschaftlichen Lebens gewesen war, wirkte wie ausgestorben.
Die beiden Männer erreichten endlich das Gebiet gleich nördlich des Hafens, wo sich das Hauptlager von Konstantinos befand.
Sie blieben nebeneinander stehen und starrten auf die Ãberreste des weitläufigen Gebäudes. Es war bis auf die Grundmauern niedergebrannt.
»Mein schönes Lagerhaus«, flüsterte Konstantinos nach einer Weile. »Mein schönes, schönes Lagerhaus.«
Sein jüngerer Bruder blickte ihn an und sah, dass er haltlos weinte.
Es war, als weinte er um den Verlust einer Geliebten, dachte Leonidas, geschockt über diesen Gefühlsausbruch. Selbst als ihre Mutter unerwartet gestorben war, hatte sein Bruder nicht so viele Tränen vergossen.
Während sie dastanden und die Verwüstung in Augenschein nahmen, flog ein deutsches Flugzeug über sie hinweg. Der Pilot würde seinen Vorgesetzten berichten, dass es Thessaloniki gelungen war, sich selbst zu zerstören. Sie hätten es selbst nicht besser machen können.
In der Zwischenzeit bereitete eine ansässige französische Zeitung ihre erste Ausgabe nach der Feuersbrunst vor. Die Schlagzeile lautete:
LA MORT DâUNE VILLE
DER TOD EINER STADT
4
F ünf Tage lang hatte Olga nichts von ihrem Mann gehört, aber sie war so beschäftigt mit ihrem Baby, dass sie kaum an ihn dachte. Die Tage und Nächte schienen ineinander überzugehen, sie fand keinen Schlaf. Wenn es ihr gelang, den kleinen Dimitri in den Schlummer zu wiegen, so dauerte die Stille selten länger als eine halbe Stunde an.
Pavlina und Olga teilten sich ein Zimmer in dem prächtigen Haus in Perea, das Konstantinosâ altem Freund gehörte, einem reichen Reeder, der viele seiner Stoffladungen transportierte. Von ihrem Fenster aus, etwa zehn Kilometer von der Küste entfernt, konnten sie die Rauchglocke sehen, die immer noch über der Stadt hing.
Die Zerstörung Thessalonikis schien Olga kaum anzurühren, aber am Donnerstag erhielt sie Nachricht von Konstanti nos, dass praktisch sein ganzer Besitz vernichtet worden sei.
»Es tut mir so leid«, sagte ihre Gastgeberin mit Tränen in den Augen. »Wie schrecklich für Sie ⦠alles zu verlieren!«
Olga freute sich über die Anteilnahme, konnte aber nicht angemessen darauf reagieren. Ja, es war schlimm, alles zu verlieren, aber sie fand nicht, dass dies auf sie zutraf. Sie hielt »alles« in ihren Armen. Dieses Baby war jetzt der Mittelpunkt ihrer Welt, alles andere bedeutete ihr nichts.
Am folgenden Tag fuhr Konstantinos, der in einem vom Feuer verschont gebliebenen Viertel der Stadt in einem Hotel wohnte, seine Frau und das Baby besuchen. Er hatte sich bereits darangemacht zu retten, was von seinem Lagerhaus noch übrig war. Die gesamte Ware war zerstört worden, aber die Fundamente der Mauern standen noch, und er begann schon mit dem Wiederaufbau. Er hatte Bestellungen aufgegeben, um seinen Lagerbestand wiederherzustellen, und würde bald Platz brauchen, wenn die neuen Stoffe eintrafen. Im Lauf weniger Tage, in denen er seine Versicherungsansprüche geltend machte, hatte Konstantinos alle übrigen Gefühle verdrängt.
»Ich werde sogar noch ein besseres und gröÃeres Geschäft aufbauen«, versicherte er Olga.
Die Arbeiten an ihrem Wohnhaus hingegen würden erst in vielen Monaten beginnen. Es hatte keinen Vorrang bei seinen Planungen. Doch
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