Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Olga wusste, dass die freundliche Aufnahme, die sie in Perea genoss, nicht endlos in Anspruch genommen werden konnte. Sie war bloà für ein paar Tage gedacht gewesen, und inzwischen lebten sie bereits seit zwei Wochen hier.
Obwohl die Häuser am Meer und der gröÃte Teil der Stadt nordwestlich davon vernichtet waren, war der Teil der Oberstadt, wo Olga aufgewachsen war, verschont geblieben.
Das kleine Haus in der IrinistraÃe Nummer 3 , das sie und ihre Schwester von ihren Eltern geerbt hatten, stand momentan leer, und Olga hielt es für einen idealen Ort, um dort bis zur Fertigstellung des neuen Wohnhauses unterzukommen. Ihre Schwester hatte die Stadt vor zwei Jahren verlassen und war nach Volos zu ihrem Sohn gezogen.
Das nächste Mal, als Konstantinos aus der Stadt zu Besuch kam, machte sie vorsichtig den Vorschlag, dorthin zu ziehen, bis die Villa wieder bewohnbar war.
»Es ist klein, aber es wäre genügend Platz â¦Â«
Sie brach ab. Konstantinosâ Abwehr gegen ihr Ansinnen war beinahe mit Händen zu greifen.
Das gesamte Haus hätte im Salon ihrer früheren Villa Platz gehabt. Für einen Mann, der nie woanders als an der wohlhabenden Seepromenade gewohnt hatte, war die Vorstellung, sich in einem Viertel mit den ärmsten Muslimen und Juden zusammenzudrängen, schlichtweg abstoÃend. Er fand es ohnehin erstaunlich, dass eine blasse Schönheit wie Olga aus diesem Elend und Schmutz der Oberstadt stammen konnte.
Aber Olga war entschlossen.
»Bitte, Konstantinos ⦠Pavlina kann im Dachzimmer schlafen. Es macht ihr nichts aus«, bettelte Olga. »Und es wäre ja nicht für immer.«
Es schien die beste Lösung zu sein. Alle Häuser, die man hätte mieten können, waren bis auf die Grundmauern zerstört, und nach einigem Zögern und vielen Einwänden gab er schlieÃlich nach.
Im Lauf der Woche kehrten Olga und das Baby in die Stadt zurück. Pavlina war ein paar Tage zuvor vorausgefahren, um das Haus herzurichten, und Konstantinos würde am Abend eintreffen.
Obwohl der Fahrer einen Weg nahm, der die am schlimms ten betroffenen Gegenden mied, war das Ausmaà der Zerstörung offensichtlich. Und selbst einen Monat nachdem die Feuersbrunst fast die gesamte Stadt vernichtet hatte, war die Luft noch immer von Brandgeruch erfüllt.
Olga erhaschte einen Blick auf die unheimlichen Gerippe der gröÃten Gebäude der Stadt, deren hohle Fenster auf das Meer hinausstarrten, und sah auch die Ãberreste der Komninos-Villa.
Gegen Mittag traf sie mit dem Baby in der IrinistraÃe ein. Es war bereits Mitte September, aber die Sonne brannte noch immer mit unverminderter Kraft vom Himmel.
Als sie am Ende der schmalen Gasse aus dem Wagen stieg, sah sie Pavlina mit einer Frau reden, die sie als Roza Moreno erkannte, ihre Nachbarin.
Roza kam mit strahlendem Lächeln auf sie zu und beugte sich vor, um das Baby zu bewundern.
»Meine Liebe, ich freue mich so, dich zu sehen, und herz lichen Glückwunsch!«, sagte sie. »Was für eine Zeit für einen kleinen Mann, um auf die Welt zu kommen! Aber welche Freude, dich wieder hier zu haben.«
»Danke, Roza. Ich bin auch sehr glücklich, wieder hier zu sein«, antwortete Olga.
Fast automatisch, als Geste des Vertrauens und der Zuneigung, reichte sie der Nachbarin ihr Kind, die es an sich drückte und lächelnd den Duft des Babys einsog. Ihre beiden Söhne waren zwar auch noch klein, aber der einzigartige Geruch eines Neugeborenen verschwand sehr schnell.
Die beiden Frauen hatten sich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen und tauschten sich schnell über die wichtigsten Ereignisse der letzten Zeit aus.
»Du wirst feststellen, dass sich die StraÃe kaum verändert hat«, sagte Roza. »Wir hatten solches Glück, dass das Feuer nicht bis zu uns heraufgekommen ist. Wir haben zwar unsere Synagoge verloren, aber um ehrlich zu sein, lieber die als unser Zuhause â aber sag das bloà niemandem!«
»Und das Atelier?«, fragte Olga, als ihr Roza das Baby zurückgab.
»Hat es schlimm erwischt, kann aber repariert werden!«
Die Morenos, die in Nummer 7 lebten, waren eine jüdische Familie, die eine der bekanntesten Schneiderwerkstätten in der Stadt betrieben, und Kunden von Konstantinos Komninos. Rozas Mann Saul hatte das Atelier von seinem Vater geerbt und würde es eines Tages seinen Söhnen Elias und Isaac hinterlassen. Obwohl sie
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