Eine glückliche Ehe
Nachmittag, am Abend: ein Tablett mit den Köstlichkeiten einer römischen Adelsküche, immer gebracht von dem jungen Mädchen in schwarzem Kleid und weißer Schürze, das große Kulleraugen machte, aber so diskret war, nie einen Blick auf das Bett zu werfen.
Hellmuth Wegener überstand die beiden Nächte und den langen Tag der Liebe erstaunlich gut. Er wunderte sich selbst über seine Kondition und fand seine Hoffnung bestätigt, daß auch ein älterer Mann bestimmte Höhepunkte seines Lebens unter extremen Bedingungen wiederholen kann. Elietta – das war eine extreme Situation, und Wegener gestand sich schamlos ein, während er, im Bett sitzend, Eliettas Kopf in seinem Schoß, eisgekühlten Kaviar mit Toast verzehrte, daß ihn das mit eitlem Stolz erfüllte. Nein, das schreckliche Versagen bei Irmis Umarmungen hatte sich nicht wiederholt. Im Gegenteil … Zwar spürte er sein Gewicht, sein Bauch war manchmal im Weg, und nach wilden heißen Rhythmen war er naß von Schweiß, als käme er aus einer Sauna – und doch fand er sich nach einer seiner Ansicht nach erstaunlich kurzen Verschnaufpause immer wieder bereit, Eliettas tigerhaften Körper zu umarmen und sich überraschen zu lassen von ihrer erotischen Phantasie.
Dreimal stellte man ein Telefongespräch in das Schlafzimmer durch. Einmal rief Signor Betrucci an und faselte etwas vom schönen Wetter, und Wegener solle sich in Rom richtig zu Hause fühlen, und zweimal war es René Seifenhaar, der geschäftliche Dinge durchgab, rücksichtslos und kühl, obwohl er wissen mußte, in welcher Lage – buchstäblich – sich Wegener gerade befand.
»Ab jetzt lecken Sie mich am Arsch!« sagte Wegener beim dritten Anruf grob. »Es ist aber nur bildlich gemeint!«
Seifenhaar beendete darauf das Gespräch und rief nicht mehr an. Dieses Mal war er beleidigt.
»Du bist ein herrlicher Mann!« flüsterte Elietta zum wiederholten Male an seinem Körper. »Zärtlich, grob, stark und samtig, schwer wie ein Felsklotz und leicht wie eine Feder, wenn ich dich in mir fühle. Ich liebe dich! Ich liebe dich …«
Am übernächsten Morgen betrachtete sich Wegener in den großen Spiegeln im Marmorbad der Dagliattis und begriff nicht ganz, wie eine so wunderbare Frau wie Elietta ihn lieben konnte. Sein Geld konnte es nicht sein – sie hatte selbst genug davon. Sein Name als Fabrikant war es auch nicht. Die Grafen Dagliatti hatten schon an den Kreuzzügen teilgenommen und hatten einen Namen, der durch die Jahrhunderte klang. Von männlicher Schönheit war bei Wegener auch nicht mehr viel vorhanden … Und trotzdem liebte sie ihn. Es waren keine Phrasen, diese gestammelten Bekenntnisse – sie kamen aus ihrer Tiefe, es waren Urlaute, es war eine hemmungslose Hingabe. Wenn ihr schlanker, leicht gebräunter Körper erschöpft und ausgestreckt neben ihm lag, wenn ihr Haar über ihrem schmalen Gesicht hing wie ein zerfetzter Schleier, wenn in ihren Schenkeln, und Lenden und in den schwarzen Krauslocken ihres Geschlechts noch die völlige Auflösung nachzitterte, dann sah er sie manchmal stumm an, dachte an Irmi und begriff nicht, daß er keine Spur von Reue oder Gewissen in sich entdeckte.
Ich liebe Irmi, dachte er völlig nüchtern, während Elietta mit den Zehen an seinem Schenkel kratzte, noch in der völligen Erschöpfung die Lust seiner Berührung suchend. Das klingt in diesem Augenblick widersinnig, das kann man sogar verrückt nennen. Aber ich liebe sie! Und ich liebe auch Elietta! Verdammt ja … nicht nur als Körper, sondern auch als Mensch. Ist so etwas möglich? Kann man zwei Frauen gleichzeitig mit der gleichen seelischen Bereitschaft lieben? Darüber muß ich mich mit einem Psychologen oder Psychiater unterhalten, wie immer kollegial, als Musterfall aus der Praxis … Ich werde zu ihm sagen müssen: Lieber Kollege, ich kenne da einen Mann, so in den guten Vierzigern, glücklich verheiratet, zwei Kinder, sorgenfreies Leben, ihm fehlt gar nichts, er hat die beste Frau der Welt, die mit ihm durch die Hölle gehen würde – und es auch schon getan hat –, und trotzdem hält er sich jetzt eine Geliebte und entdeckt, daß er diese Geliebte mit seiner Frau austauschen könnte. Beide Frauen sind eine Frau, sie verschmelzen, sie sind ein Begriff, wenn er liebt: Frau! Ist das normal? Reden wir nicht von der Polygamie des Mannes! Das ist zu allgemein! Erklären Sie mir logisch, wie man zwei Frauen gleichzeitig mit der ganzen Innigkeit des Herzens lieben kann! Nicht besitzen – das
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