Eine glückliche Ehe
Es gibt nur wenige Gründe, die einen Mann sich selbst so hassen lassen, daß er Schluß mit sich macht.
Später, gegen Morgen, lag Elietta atemlos, in allen Nerven zitternd neben ihm. Sie sah wie zerstört aus, mit verschwitzten, zerwühlten Haaren, schweißglänzendem Körper, kleinen roten Bißwunden an Brüsten und Schenkeln, und neben ihr lag Wegener mit jagendem Herzen, mit der Angst, einen Kollaps zu bekommen, mit einem Rücken, der brannte, als habe man ihn mit Peitschen geschlagen, mit einer blutenden Wunde am Hals, wo sie sich im Orgasmus festgesaugt und zugebissen hatte.
»So etwas habe ich noch nie erlebt …«, sagte sie mit der merkwürdigen kindlichen Stimme, die sie immer hatte, wenn sie ganz Gefühl war. »Noch nie. Welch ein Liebhaber bist du! Welch ein Mann!« Sie wälzte sich auf die Seite, küßte seinen Körper von oben bis unten und küßte auch die Narbe am rechten Oberschenkel, dieses Andenken an Rußland.
»Krieg?« fragte sie.
»Ja. Rußland.«
»Ich zaubere die Narbe weg.« Sie küßte die Narbe und saugte an seiner Haut, und er spürte mit einem Seligkeitsgefühl ohne Beispiel, wie neues Leben in seine Männlichkeit kam. »Nicht jetzt schon wieder«, flüsterte sie und kroch an ihm hoch. »Ich muß Atem holen! Du machst mich kaputt! Total kaputt …«
Später tranken Sie Champagner, saßen nackt nebeneinander auf der Bettkante und küßten sich nach jedem Schluck. »Wie alt bist du?« fragte sie.
»Sechsundvierzig.«
»Unmöglich!«
Er beugte sich vor, holte seinen Paß aus der Anzugjacke und gab ihn ihr. Sie las das Geburtsdatum und alles andere und sah ihn plötzlich erstaunt an. »Komm her, komm schnell her! Ich muß noch eine Narbe wegküssen …«
»Eine Narbe? Welche?« Wegener spürte, wie wieder das Gefühl der Gefahr in ihm hochstieg. »Wieso?«
»Hier steht: Schußnarbe am linken Oberarm. Gib den linken Arm her.«
Wegener saß wie versteinert. Elietta nahm seinen Arm und suchte die Narbe, aber er wußte ja … es gab sie nicht. Wieder eine Kleinigkeit, die einen Menschen zerstören kann. Eine Winzigkeit, die alles vernichtet. Eine Narbe am linken Oberarm.
»Wo ist sie?« fragte sie und tastete mit den Lippen seinen linken Arm ab.
»Ich habe sie vor Jahren schon wegmachen lassen«, sagte er rauh. »Eine kosmetische Operation. Du weißt doch: Ich bin eitel! Die Narbe störte mich, wenn ich in der Badehose …«
»Die am Oberschenkel nicht?«
»Merkwürdigerweise nicht.«
Die Narbe! Hat Irmi das nie bemerkt? Sie hat nie darüber gesprochen. Mein Gott, sie weiß doch, daß Hellmuth Wegener am linken Oberarm verwundet war. Und es gibt keine Wunde ohne Narbe!
Er stellte das Champagnerglas weg, legte sich auf den Rücken, und während Elietta sich über ihn legte, katzengleich, mit einer tierhaften Geschmeidigkeit, ihn mit den Beinen umklammerte und wieder begann, an seiner Halsbeuge zu saugen und ihn mit ihren kleinen spitzen Zähnen zu kratzen, dachte er ganz nüchtern: Die Narbe muß her! Ich werde mir, noch hier in Rom, die Narbe beibringen lassen. Alles, was mit Wegener sein könnte, kann man überspielen – eine im Paß eingetragene Narbe aber nicht. Das ist unauslöschlich. Das ist ein Erkennungszeichen. Ich muß mir diese Narbe in den linken Oberarm hineinoperieren lassen! Für Geld und in Rom ist das möglich.
Er legte die Arme über Eliettas geschmeidigen, samthautigen Rücken und drückte sie auf sich. Ihr Haar überdeckte sein Gesicht wie ein Schleier. Er hörte ihren jagenden Atem an seinem Hals und spürte wieder das Zittern, das durch ihren herrlichen Körper flimmerte. Sie war nur noch Lust, nur noch Empfinden, nur noch Erwartung, Hingabe und Erfüllung.
»Ich werde verrückt –«, sagte sie ganz leise und biß in seinen Hals wie ein Vampir. »Du bist es, der mich verrückt macht …«
9
Nicht nur die Nacht verbrachten sie in dem breiten Bett, in dem, wie Elietta sagte, einmal der Kardinal Sampieri geschlafen hatte, der für Wegener kein Begriff war – auch den ganzen folgenden Tag und wiederum in der Nacht war das Bett der einzige Platz in dem Palais, an dem sie sich aufhielten.
Die Gräfin Dagliatti, unersättlich in ihrer Leidenschaft und begabt für die phantasievollsten Variationen, verlegte das Leben in diesen einen Raum. Das junge Hausmädchen brachte Kaffee, Gebäck, Schinken und Eier bis an die Tür, wo Elietta das Tablett ohne Scham, nackt, wie sie war, und mit zerwühlten Haaren, in Empfang nahm. Das gleiche geschah zu Mittag, am
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