Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
hypnotisieren. Oder er lief wie ein gefangenes Tier herum, die Hände auf dem Rücken, den Kopf in die Schultern gezogen, das Kinn angedrückt, und wer sich ihm näherte, wurde angebellt und tat gut daran, sofort aus seinem Blickfeld zu verschwinden.
    Einen erkennbaren Grund gab es nicht. Schwangler hatte in seiner gründlichen Art alles durchforstet. Die Produktion lief hervorragend, der Absatz hatte sich um 21,5 % gesteigert, eine neue Geliebte war nirgends zu sehen, mit Irmi gab es keinerlei Sorgen; nie hatte sie Wegener in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren Anlaß gegeben, sich in einen eifersüchtigen Othello zu verwandeln. Die Gräfin Dagliatti lebte jetzt in Rio de Janeiro, wie René Seifenhaar aus Rom meldete, sie war geflüchtet aus ihrem Palais, das voller Erinnerungen an Hellmuth Wegener war. Was also war es, das Wegener so plötzlich verändert hatte?
    Schwangler fragte ihn danach, das schien ihm der beste Weg zu sein. »Brauchst du eine neue Elietta?«
    »Du kannst mich kreuzweise!« antwortete Wegener grob.
    »Ich weiß, ich weiß, du wirfst mich gleich wieder raus, aber – lassen wir einmal beiseite, daß Irmi die beste Frau der Welt ist! – es kann ja immerhin möglich sein, daß du trotzdem erotisch ausgehungert bist …«
    »Was anderes fällt dir wohl nie ein, wie?«
    »Du bist seit vier Tagen wie ausgewechselt. Du schleppst was mit dir herum.«
    »Ich habe nichts!«
    »Hellmuth …«
    »Laß mich in Ruhe!«
    Es war nicht an ihn heranzukommen. Vielleicht hatte Sohn Peter recht, wenn er sagte: »Papa kann die fünfzig nicht verkraften. Mit fünfzig beginnt das Alter, und Paps ist ein Mann, der nie alt werden will! Paßt auf, nächstens kommt er mit Pophemden und in Jeans! Alles nur Panik vor dem Alter! Mama, du solltest mit ihm mal vier oder sechs Wochen an die Côte d'Azur fahren und dort topless mit ihm herumspringen …«
    »Was ist topless?« fragte Irmi.
    »Oben ohne!«
    »Peter!« Sie sah ihren Sohn strafend an. Er war jetzt einundzwanzig, studierte Chemie in Köln, fuhr einen englischen Sportwagen, brachte eine Menge bärtiger junger Männer und langmähniger Mädchen ins Haus und rauchte Pfeife. Er war hochaufgeschossen, dürr und blond wie seine Mutter.
    »Sei nicht entsetzt, Mama«, sagte er, »sondern stelle dich um! Männer in Pa's Alter haben eine zu ihren Möglichkeiten völlig konträre Lebensauffassung.«
    »Du mußt es ja wissen!«
    »Wenn man sich etwas mit Psychologie beschäftigt …«
    »Ich kenne deinen Vater seit über fünfundzwanzig Jahren!«
    »Das ist es ja! Seit fünfundzwanzig Jahren klebt ihr aneinander wie zwei verleimte Sperrholzplatten! Unverziehbar, hitze- und kältefest, im Wasser unlöslich, unempfindlich gegen Dampf. Chemisch gesehen die perfekte Verbindung! Aber jeder von euch ist doch ein Individuum! Ist ein eigener Mensch! Hat ein besonderes Ich!«
    »Dein Vater und ich, wir haben immer …«
    »Wir! Wir! Warum sagst du nicht einmal Ich?! Warum gibst du dem Alten nicht mal ein Rätsel auf, bringst ihn mal auf Trab, damit er kapiert, daß du nicht sein Eigentum bist wie der Picasso, den er in der Bibliothek hängen hat, sondern eine ihrer Persönlichkeit völlig bewußte Frau!«
    »Das kann ich nicht, Peter.«
    »Du kannst es! Wenn du für den großen Erfolgsmann Wegener auf Bällen und Empfängen repräsentieren kannst, bist du auch in der Lage, dich selber ins Licht zu setzen. Für Pa ist alles zu selbstverständlich geworden! Und jetzt ist er über fünfzig, und das Selbstverständliche wird ihm wie ein Gewicht um den Hals. Er braucht etwas Neues, was ihn in Spannung hält. Mama, er dreht die Zeit zurück, wenn er plötzlich sieht, daß er eine ganz andere Frau an seiner Seite hat! Männer in seinem Alter beginnen, einen Hauch Verwerflichkeit zu lieben. Der Gedanke peinigt sie, etwas verpaßt zu haben, was man aber noch nachholen könnte. In zehn Jahren wäre es vielleicht zu spät!«
    »Ihr jungen Theoretiker!« sagte Irmi und lächelte nachdenklich. »Mit Worten jonglieren, das könnt ihr! Ich kenne Pa besser als ihr alle zusammen.«
    Am fünften Tag hatte Wegener sich besiegt. So lange hatte er gebraucht, um alle Bedenken in sich niederzuknüppeln und nur noch der Sohn zu sein, nach dem seine Mutter rief. Der fürchterliche Gedanke: Tue nichts! Sage dir weiter, sie ist beim Bombenangriff auf Osnabrück gestorben! Vergiß, was du gelesen hast! Du bist Hellmuth Wegener und nicht Peter Hasslick! Wenn du nicht zufällig das Suchblatt vom Roten Kreuz

Weitere Kostenlose Bücher