Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Pralinenschachtel fallen, er stieß sich von der Wand ab und tappte wie ein Blinder auf das Fenster zu. »Mutter«, sagte er, »Mutter … Ich bin es ja! Ich bin es, Mutter!«
    Er umfaßte ihren Kopf, die kleine Gestalt, hob sie aus dem Sessel, drückte sie an sich und begann laut zu schluchzen. Und während er diesen winzigen, knochigen, faltigen Körper, der ihn geboren hatte, an sich preßte, legte sie ihre Arme um seinen Nacken und flüsterte, so zärtlich, wie es nur eine Mutter kann: »Mein Junge, mein lieber Junge! Ich habe es gewußt, ich habe es die ganze Zeit gewußt, ich habe es aus den Karten gesehen …«
    »Die Karten …«, schluchzte er. »O Mutter, deine Karten …«
    Er setzte sie in den Sessel zurück, hockte sich vor sie und sah sie an, und sie hob ihre runzeligen Hände und wischte ihm die Tränen von den Wangen, und dann mußte sie ihre Brille abnehmen und putzte sie mit einem Zipfel des Kleides, und er nahm sein Taschentuch und tupfte ihr die Tränen aus den Falten und Runzeln und strich über ihr weißes, lockiges Haar, bis sie die Brille wieder aufgesetzt hatte.
    »Du bist dick geworden«, sagte sie und hielt seine Hände fest. »Viel zu dick! Aber ich habe dich sofort erkannt, gleich als du hereinkamst und ich dich sehen konnte. Mein Junge! Nennst einen anderen Namen?! Hast Angst gehabt, mich trifft der Schlag?« Sie versuchte zu lächeln und weinte doch wieder. »Ich habe gewußt, daß du zurückkommst. Ich habe doch auf dich gewartet. Ich wußte es doch!«
    »Deine Karten, Mutter …«
    »Sie haben mich noch nie belogen. Dreimal heute, hintereinander: Es kommt unverhoffter Besuch …«
    »O Mutter, Mutter!« Wieder nahm er ihr die Brille von der Nase, putzte ihr die Tränen ab und setzte sich auf die Sessellehne. Sie ließ den Kopf an seine Brust sinken und umklammerte seine Hände. »Du bist jetzt fünfzig, mein Junge.«
    »Du weißt es ja ganz genau!«
    »Ich habe doch all die Jahre mit dir gelebt. Ich habe gespürt, wie du mit mir älter wurdest. Fünfzig! Damals, als du das letzte Mal auf Urlaub kamst, warst du vierundzwanzig.«
    »Ja, Mutter.«
    »Wo bist du so lange geblieben?« Sie hob den kleinen Greisinnenkopf und sah ihm in das volle runde Gesicht. »Dir geht es doch gut, nicht wahr?«
    »Mutter, ich hole dich sofort hier raus!«
    »Warum? Mir gefällt es hier.« Sie rückte die verrutschte Brille zurecht und schüttelte den Kopf. »Man pflanzt keine alten Bäume um.«
    »Das ist ein dummes Sprichwort, Mutter.« Er legte den Arm um ihre schmale Schulter und schielte zur Tür. Nach der Erschütterung des Wiedersehens meldete sich sein Verstand. Noch war er allein mit seiner Mutter, aber was passierte, wenn Schwester Else hereinkam und Mutter ihn als ihren Sohn vorstellte? Den fremden Mann vom Roten Kreuz. Noch hatte er, vielleicht nur Minuten lang, die Möglichkeit, Mutter alles zu erklären. Ob sie es verstand, war nicht vorauszusehen, aber er würde sie so weit bringen, daß sie ihn nicht als ihren Sohn bezeichnete. Noch nicht …
    Wegener streichelte wieder die weißen Haare der Greisin. »Ich muß dir etwas erzählen, Mutter –«, sagte er stockend. »Und ich brauche deine Hilfe.«
    » Ich kann dir helfen, mein Junge?« Sie musterte ihn aufmerksam. »Geht es dir nicht so gut, wie du aussiehst? Der verfluchte Krieg …«
    »Der Krieg ist lang vorbei, Mutter. Die meisten wollen nichts mehr von ihm wissen, eben weil es ihnen zu gut geht. Aber mit dem Krieg hängt es schon zusammen.«
    »Sag' ich doch!« Sie tastete nach seinen Händen. »Aber wenn ich dir helfen kann, mein Junge …«
    »Du kannst es, Mutter.« Er beugte sich über sie und küßte sie auf die faltige Stirn. »Ich weiß nur nicht, ob du mich verstehst …«
    Eine Stunde später klopfte es. Die Tür sprang auf, ein mittelgroßer dicklicher Mann in einem weißen Arztkittel kam herein. Hinter ihm erschien Schwester Else mit einem Tablett. Frau Hasslick gehörte zu den Alten, die nicht mehr zu den gemeinsamen Mahlzeiten in den Speisesaal zu kommen brauchten, seit man sie ein paarmal mit Kreislaufstörungen wieder auf ihr Zimmer hatte bringen müssen.
    Der Mann im weißen Kittel winkte freundlich schon an der Tür und nickte auch Wegener zu, der sich von seinem Stuhl erhob. Zwischen ihm und seiner Mutter lag aufgeklappt die große Pralinenschachtel. Säuberlich waren die Marzipanpralinen heraussortiert und auf das Einwickelpapier gelegt worden. Wie früher. Für dich, mein Junge …
    »Uns geht's aber gut!« sagte der

Weitere Kostenlose Bücher