Eine glückliche Ehe
die Wahrheit überbracht.« Dr. Methusius unterbrach sein Klopfen. »Für die alte Frau ist damit ihr Leben erfüllt.«
»Sie glauben …« Wegener mußte sich an der Schreibtischkante festhalten. Methusius bemerkte es nicht, er blickte gegen die Wand.
»Es würde mich auf keinen Fall wundern.«
»Und wenn mein Besuch ihr doch noch neuen Lebensmut gegeben hat?«
»Gut! Seien wir so optimistisch. Sobald ein gutes Zimmer frei ist, verlegen wir sie.«
»Es ist keins frei?«
»Wir haben lange Wartezeiten und Anwartlisten.«
»Dann bauen Sie in irgendeinem Block ein Zimmer aus! Ich sagte schon … die Kosten spielen keine Rolle! Ich wollte – Frau Hasslick herausnehmen, aber sie weigert sich. Sie will hierbleiben. Es gibt wundervolle private Altersheime im Schwarzwald und im Harz, aber sie will nicht. Aber in diesem Zimmer kann sie auch nicht bleiben!«
»Sie wohnt seit zehn Jahren in diesem Zimmer, Herr Wegener.«
»Aber nicht mehr im elften!« Wegener sprang auf. »Es muß doch in diesem großen Heim eine Möglichkeit geben, Frau Hasslick besser unterzubringen!«
»Nur, wenn ein Zimmer frei wird.«
»Also, wenn jemand stirbt?«
Dr. Methusius hob die Schultern. »Und wenn Sie eine Million hinlegen und einen ganzen neuen Flügel anbauen wollten – das ist städtischer Besitz, und bis Sie mit allem klar sind, mit Stiftungsurkunde, Bauamt, Sozialamt, bis das alles die Instanzen durchlaufen hat und genehmigt ist, bis überhaupt der Bau beginnt, dürfte Frau Hasslick längst kein Luxuszimmer mehr benötigen. So einfach ist das Schenken nicht, wenn man einer Behörde etwas schenkt! Da kommt ein riesiger Beamtenapparat in Bewegung, und der wird Ihnen vorrechnen, daß Ihre Schenkung letzten Endes unrentabel ist im Hinblick auf die Dauerunterhaltung. Viel einfacher wäre es, Frau Hasslick doch noch zu überreden, das Heim zu wechseln. Das geht schneller, Herr Wegener!«
»Ich werde es versuchen.«
»Wie gesagt, falls es noch sinnvoll ist …«
»Sie wird jetzt hundert Jahre alt werden!« sagte Wegener laut und erhob sich. Auch Dr. Methusius stand auf.
»Das wäre gut. Dann könnte sie noch Ihren Neubau erleben, falls Sie wirklich einen stiften!« Methusius lächelte. »Ich glaube, wir sollten nichts überstürzen, auch nachgeholte Menschlichkeit nicht.«
Wie mit einem Hammer zerschlagen verließ Wegener das Altersheim und fuhr mit dem nächsten Zug nach Hamburg zurück. Am nächsten Morgen holte Dr. Schwangler ihn aus dem Bett. Wegener brauchte Zeit, um wach zu werden, er hatte eine Schlaftablette genommen, um Ruhe zu finden.
»Ich bin unten in der Halle«, sagte Schwangler am Telefon. »Gerade gelandet. Hellmuth, was soll der Blödsinn?! Wir müssen miteinander sprechen. Konferenz in Hamburg! Ich komme zu dir aufs Zimmer! Bist du allein im Bett?«
»Scher dich zum Teufel!« sagte Wegener wie in halber Betäubung. »Ich bin allein, will allein sein, und wenn du rauf kommst, trete ich dir gegen den Bauch. Ist das klar?«
»Ganz klar! Wann frühstücken wir?«
»Leck mich am Arsch!«
»Das ersetzt mir kein Frühstücksei!«
Wegener seufzte und warf den Hörer auf die Gabel. Aber er konnte nicht mehr weiterschlafen. Er stand auf, duschte sich und fuhr hinunter in den Frühstücksraum. Dick und breitbeinig saß Dr. Schwangler an einem Zweiertisch und winkte Wegener zu.
»Komm her, mein Engel!« sagte er, als Wegener mit verkniffenem Gesicht vor ihm stand. »Setz dich. Ich habe herumgehorcht, du bist tatsächlich allein! Wenigstens im Hotel. Sie hat also eine eigene Wohnung?«
»Ja!« Wegener setzte sich. »Bist du nun zufrieden?«
»Nur halb. Ist es ernst?«
»Was heißt ernst?«
»So wie mit Elietta?«
»Nein!«
»Keine Gefahr für Irmi?«
»Keine.«
Dr. Schwangler sah Wegener kurz an und nickte dann. »Erledigt! Aber, Junge – mußte das sein?!«
»Es mußte, Edi.«
»War der Dampfkessel wieder unter Druck?«
»Idiot! Es war ein Wiedersehen. Und vielleicht der Abschied!«
»Auf das letzte Wort trinken wir gleich einen Kognak.«
»Einverstanden.«
Mit der nächsten Maschine flogen sie nach Köln zurück. Fahrer Emil Zyllik folgte mit dem Wagen über die Autobahn. Er war froh, Wegener nicht fahren zu müssen. In seinem Schädel summten tausend Mücken. Er hatte in Hamburg sein eigenes Hotelbett nicht gesehen.
Dr. Methusius sollte recht behalten.
Neun Wochen später starb Berta Hasslick. Sie schlief zufrieden und mit einem kindhaften Lächeln ein, sie schlich sich einfach davon. Schwester
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