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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht.
    »Der Kerl ist schwul bis ins Knochenmark!« sagte Dr. Schwangler. »Ein wahrer Glücksfall. Wir werden ihn für unser Präparat als Titelfigur fotografieren lassen. Da glaubt jeder, daß man nach fünfzig Dragées den Mittelteil der Hose mit Blech beschlagen muß.« Kurz vor Weihnachten gelang es Hellmuth Wegener mit Hilfe der Fachbücher, die er Wort für Wort studierte, aber auch mit der Unterstützung René Seifenhaars, im kleinen Apothekenlabor die ersten Dragées der Nullserie herzustellen, die man der Arzneimittelkommission vorlegen wollte. Dr. Schwangler wollte das Kräftigungsmittel ›Priaposan‹ nennen, nach dem griechischen Gott Priapos, dessen Dauererektion alle Göttinnen in Ekstase versetzte. Man einigte sich aber dann doch auf den harmlosen Namen ›Vitalan‹ und entwarf die erste Packung, auf der René Seifenhaar als schöner, kraftstrotzender Jüngling in knapper Badehose posierte.
    »Das haut hin!« sagte Dr. Schwangler zufrieden. »Er hat an den richtigen Stellen die richtigen Rundungen.«
    Am 17. Januar 1949 traf überraschend eine Einladung ein. In Zürich tagte ein Apothekerkongreß, und als einzigen Deutschen bat man Hellmuth Wegener zu einem Referat. Thema: Die Feldapotheke im Kriegseinsatz. Ein jetzt schon historischer Rückblick.
    Wegener las die Einladung ein paarmal. Ein Vortrag vor einem europäischen Gremium! Wer hatte ihm diese Scheiße eingebrockt?!
    Er suchte Dr. Hampel auf, klagte über Nervenschmerzen im linken Bein – was keiner kontrollieren und bestreiten konnte – und kam mit der Gewißheit nach Hause, zur Schonung der Nerven acht Tage im Bett liegen zu müssen.
    »Das fehlt uns noch!« sagte Dr. Schwangler mißmutig. »Gerade in Zürich hätten Sie für unser ›Vitalan‹ die Trommel rühren können! Gut, schicken wir den schönen René hin.«
    So erfuhr Wegener wenigstens, wer ihm das eingebrockt hatte, und legte sich zufrieden ins Bett. Irmi umsorgte ihn rührend, umwickelte sein Bein mit einer elastischen Binde, damit sich die Nerven ausruhen konnten, und wenn Sohn Peter sich sattgetrunken hatte, lag er neben Wegener unter der Steppdecke und schlief zufrieden und warm und schnarchte ganz hell durch sein winziges Stupsnäschen.
    Ein Leben voll greifbarer Wunder.
    René Seifenhaar erledigte seine Arbeit in Zürich vorzüglich. Mit seinem charmanten Wesen und seiner besonderen Veranlagung schuf er eine Reihe internationaler Kontakte und machte die noch in Gründung befindliche Fabrik für ›Vitalan‹ in Fachkreisen bekannt.
    »Den geben wir nicht wieder her«, lachte Dr. Schwangler, als er Wegener am Bett die ersten Berichte aus Zürich vorlas. »Was du nicht mit deiner Intelligenz schaffst und ich nicht mit Zehnfingerspiel, das macht der Kleine mit seiner erotischen Rückseite! Das ist die ideale Dreierkombination für einen Dauererfolg.«
    »Sie bleiben ein Ferkel!« sagte Wegener und grinste. »Aber man muß Ihnen recht geben. Wenn das verdammte Bein nicht wäre! 1941 hab ich's mir erfroren, und da müssen die Nerven einen Knacks bekommen haben …«
    Es ist gut, immer eine solche Hintertür in die Krankheit offenzuhalten, dachte er stolz. Damit kann man vieles abbiegen und vielem ausweichen, und jeder glaubt es einem! Der Krieg wird unserer Generation behilflich sein bis zum Lebensende, er wird immer unsere große Ausrede bleiben! So hat er wenigstens doch etwas Nutzen gebracht: Wir können uns hinter ihm verkriechen. Er ist unser Alibi.
    Kurz vor Karneval – in Köln feierte man ihn wieder mit alter Herzlichkeit, denn wer dem Kölner seinen Karneval und seinen Dom nimmt, könnte ebenso die ganze Welt vernichten – brachte die Morgenpost wieder einen ungewöhnlichen Brief.
    Wegener stand im Neubau der Fabrik und sah zu, wie man eine Deckenverkleidung einzog – schallschluckende Platten –, als der Lehrling Norbert Schmitz, seit einem Monat bei Lohmanns Apotheke in Ausbildung als kaufmännischer Gehilfe, die Post in den Neubau brachte.
    Schon der Absender des vornehmen Büttenkuverts signalisierte Gefahr: Vereinigung ehemaliger Abiturienten des Goethe-Gymnasiums Hannover. Es war die Einladung zu einem Klassentreffen, zu einem Wiedersehen, zur ersten Begegnung nach dem Krieg.
    »Mußt du da hingehen?« fragte Irmi.
    Er wurde hellhörig. Wollte sie ihn warnen? Aber weshalb? Ahnte sie Zusammenhänge? Nein, das war undenkbar …
    »Warum nicht?« sagte er. »Es macht doch Spaß, die alten Kumpel wiederzusehen.« Es klang nicht überzeugend, aber er wollte

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