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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Fritzchen Leber, jetzt Architekt, zu ihm sagte:
    »Mensch, Hellmuth, ich hätte dich nicht wiedererkannt! Obwohl wir neun Jahre zusammengehockt haben! Du hast einen runderen Kopf bekommen.«
    »Vielleicht vom vielen Stahlhelmtragen?« sagte Wegener schlagfertig. Die anderen brüllten vor Lachen, und das Thema war gestorben. Aber Fritzchen Leber wunderte sich noch manchmal an diesem Abend.
    Da war die Sache mit Lore, dem Mädchen mit den langen roten Zöpfen, sechzehn Jahre war sie damals gewesen, und Wegener und Leber hatten um sie gekämpft wie Stiere. Sieger war Wegener geblieben, aber auch er war bei der roten Lore nicht weitergekommen als bis zu einem Kuß, einem mutigen Griff an die Brüste und einem Streicheln bis zum Oberschenkel. Dann hatte Lore sich geweigert und war sauer geworden.
    »Eigentlich schade«, sagte Leber bedrückt. »Lore ist 1944 beim Bombenangriff verschüttet worden und erstickt. Weißt du das?«
    »Nein.« Wegener versuchte, sich Lore mit den langen roten Zöpfen vorzustellen. Ihre Figur, ihre Brüste, die er umfaßt haben sollte, ihre Schenkel. »Wie die küssen konnte …!«
    »Darauf noch einen Schampus!« schrie Eberhard von Hommer. »Jungs, wir waren eine gute Klasse! Was sagen unsere liebenswerten Pauker dazu?«
    »Ihr wart Nervensägen!« sagte der alte Studienrat Sachtmann. »Die schlechteste Klasse in Mathematik. Vor allem Sie, Wegener.«
    »Ich brauche keine Wurzeln mehr zu ziehen – ich bin doch kein Zahnarzt!« erwiderte Wegener und setzte mutig hinzu: »Für Blinddärme bin ich eher zuständig.«
    »Und Ihr Latein, meine Herren?!« Der Lateinprofessor Lüders, den sie damals Stummel nannten, weil er immer einen erkalteten Zigarrenstummel im Mund hatte und ihn jeden Tag ganz vorsichtig auf die Pultkante legte, bis der kleine Hammerlein – er fiel schon 1940 als Freiwilliger in Frankreich – ihn mit Senf beschmierte, machte eine ausgreifende Handbewegung. »In Latein waren Sie alle wie ohne Hirn! Vor allem Sie, von Hommer! Eine Katastrophe! Und Sie, Wegener? Wie hat Ihr miserables Latein sich beim Medizinstudium ausgewirkt?«
    »Hervorragend! Ich habe das Physikum mit Eins gemacht!«
    Man ›sah sich wieder‹ bis zum Morgengrauen. Die Professoren verabschiedeten sich schon früher. Eine Taxe brachte die leicht schwankenden Herren nach Hause. Die ›alte Klasse‹ blieb noch zusammen und sprach von alten Zeiten.
    »Immer alt, alt, alt!« rief Fritzchen Leber. »Jungs, wir sind doch keine Greise! Wir sind doch alle erst um die neunundzwanzig, dreißig herum! Reden wir doch von der Zukunft! Man hat uns sieben Jahre geklaut, dazu die Gefangenschaft, für manchen noch mal drei Jahre. Zwei von uns sind noch immer irgendwo in Sibirien! Neun sind gefallen oder vermißt! Wir sind übriggeblieben … ganze zwölf Mann! Und wir sollten wie damals zusammenhalten und versuchen, aus dieser Scheißzeit das Beste zu machen. Jedenfalls was Besseres, als unsere Eltern fertiggebracht haben!«
    »Der ist Parteiredner!« grölte Zyschka. Er war so weit, daß man ihn nach oben aufs Zimmer bringen mußte. »Jungs, nichts mehr von Partei! Mit mir nicht! Wenn ein Deutscher ein Parteibuch hat, will er gleich die ganze Welt verändern! Warum machen wir nicht mal was anderes? Eine Weltgemeinschaft der Bumser?!«
    Man brachte Zyschka aufs Zimmer, ehe er an der Kellnerin Hannelore demonstrierte, wie er sich sein Parteiprogramm vorstellte. Aber auch die anderen taumelten am Ende ihrer Aufnahmefähigkeit. Nur Wegener war wachsam, hörte allen gespannt zu, trank mit Maßen, kippte scharfe Sachen in einen Blumentopf und nahm mit der Verzweiflung des Menschen, dem die Maske das Leben bedeutet, alles auf, was er später verwerten konnte: von Hommers Verbindungen zur Großindustrie, Zyschkas Juristenclique, Fritzchen Lebers Architektenbüro, Kalle Vorberghs im Aufbau begriffene Einzelhandelskette, Hans Lehmanns internationales Transportunternehmen, Pitter Ortwins Verlagsdruckerei, die bald eine Zeitschrift herausgeben würde.
    Die unterschiedlichsten Berufe waren hier im ›Sälchen‹ versammelt, jedoch kein zweiter Arzt. Das beruhigte Wegener, das war ein Glück, mit dem er nicht hatte rechnen dürfen. Es konnte keine fachlichen Diskussionen geben, im Gegenteil, wenn Wegener etwas Medizinisches in seine Sätze einflocht, und sei es auch nur eine Bemerkung wie »Ich habe da neulich einen Mann gesehen mit ungewöhnlich kyphotischem Thorax …«, so hörte jeder seiner Klassenkameraden ehrfürchtig zu, obwohl es

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